Wichtige demokratiepolitische Errungenschaft wird 100 Jahre alt

Feiern und diskutieren zu 100 Jahren Frauenwahlrecht

„Das Wahlrecht ist eines der wirkungsvollsten demokratischen Mitbestimmungsrechte. Ein Recht, das Frauen – und damit der Hälfte der Bevölkerung – vor 100 Jahren noch verwehrt blieb“, erinnert Frauenlandesrätin Christine Baur. Im Haus der Begegnung in Innsbruck wurde daher heute – einen Tag vor dem Internationalen Frauentag am 8. März – einer historischen und demokratiepolitisch immens wichtigen Errungenschaft gedacht: Mit der Gründung der Ersten Republik im November 1918 erhielten Frauen in Österreich das aktive und passive Wahlrecht zugesprochen, sprich nach jahrzehntelangem Kampf wurde das allgemeine, gleiche, direkte und geheime Wahlrecht für alle Menschen ohne Unterschied des Geschlechtes in Österreich eingeführt. 1919 waren Frauen somit erstmals wahlberechtigt. Im Rahmen der Jubiläumsveranstaltung wurden mit Eva Lichtenberger, Selma Yildirim, Elisabeth Pfurtscheller und Eva Steibl vier politisch engagierte Tirolerinnen vor den Vorhang geholt, die über ihre Erfahrungen und die wichtigsten politischen Vorhaben aus Frauensicht berichteten. Den Impulsvortrag gestaltete die Erwachsenenbildnerin Elisabeth Anker.

„Das allgemeine Wahlrecht ist ein Meilenstein im Ringen um Chancengleichheit. Seit diesem Zeitpunkt sind Frauen in Parlamenten und Regierungen vertreten – allerdings nicht im gleichen Ausmaß wie Männer“, betont LRin Baur. 100 Jahre Frauenwahlrecht sind daher Anlass, die politische Teilhabe von Frauen in den Mittelpunkt zu stellen, sie zu fordern und zu fördern.

Politische Beteiligung von Frauen

„Besonders den jungen Frauen soll Mut gemacht werden, politische Verantwortung zu übernehmen und sich auch in politischen Funktionen zu engagieren“, ist LRin Baur überzeugt.

Der Frauenanteil im Tiroler Landtag betrug bis zur Landtagswahl 28 Prozent, in der Landesregierung 50 Prozent. Wie viele Frauen nach der konstituierenden Sitzung des Landtags bzw. der Bildung der Landesregierung ein Mandat bzw. ein Amt ausüben werden, ist noch offen. Nach den Gemeinderatswahlen 2016 hat sich die Anzahl der Bürgermeisterinnen um fünf Frauen auf 16 erhöht. „In absoluten Zahlen bedeutet dies aber immer noch, dass von allen 279 Gemeindeoberhäuptern nur 5,7 Prozent Frauen sind“, zeigt LRin Baur auf. Die Anzahl der Vizebürgermeisterinnen beläuft sich gegenwärtig auf 42, jene der Gemeindevorständinnen auf 116. In den Gemeinderäten sind 620 Frauen vertreten. „Alles in allem sind im Jahr 2016 verglichen zu 2010 175 Frauen mehr in der Gemeindepolitik tätig“, berichtet LRin Baur, die darauf verweist, dass sich viele Frauen auch in Vorfeldorganisationen und politisch wirksamen Zusammenschlüssen engagieren.

Rahmenbedingungen verbessern

„‚Halbe halbe‘ in politischen Funktionen macht die Gremien attraktiver und bringt Themenvielfalt in die Diskussion“, ist LRin Baur überzeugt. Dazu mussten aber auch die Rahmenbedingungen für politisch ambitionierte Frauen verbessert werden. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung wurde mit dem Beschluss zur Novelle der Tiroler Gemeindeordnung getan: „Die Novelle der Tiroler Gemeindeordnung bedeutet aus frauenpolitischer Sicht eine Verbesserung, da nun auch die Ersatzmitglieder des Gemeinderates diese nicht nur bei Gemeinderatssitzungen, sondern auch in den Ausschüssen vertreten dürfen“, erläutert LRin Baur. Denn: „Gerade der zeitliche Aufwand, der mit einer politischen Funktion verbunden ist, schreckt viele Frauen davon ab, sich politisch zu engagieren“. Fehlende Kinderbetreuung und Abendtermine bis spät in die Nacht lassen sich oft schwer mit Betreuungspflichten vereinbaren. „Die Möglichkeit, sich in Ausschüssen vertreten zu lassen, erleichtert den Gemeinderätinnen und Gemeinderäten die Arbeit bzw. führt zu einer Umverteilung von Verantwortung“, so die Frauenlandesrätin. Bisher war die Vertretung durch ErsatzmandatarInnen in den Ausschüssen nicht geregelt. „Mit diesen Verbesserungen in der Tiroler Gemeindeordnung ist Tirol gemeinsam mit Oberösterreich, Kärnten und Vorarlberg Vorreiter“, freut sich LRin Baur.

Know-how, Handwerkszeug und Netzwerke

Um die Partizipation von Frauen in Führungsetagen und Entscheidungsgremien zu erhöhen, bietet das Land Tirol Kompetenzlehrgänge unter dem Motto „Nüsse knacken – Früchte ernten“ an mit dem Ziel, mehr Frauen in Entscheidungsgremien zu bringen und die bereits aktiven Frauen zu unterstützen. „Frauen sollen ermuntert und ermutigt werden, Verantwortung in öffentlichen Funktionen zu übernehmen und vor allem auch Spaß daran zu finden. Dazu braucht es auch Know-how, Handwerkszeug, Vernetzung und Austausch“, betont LRin Baur. Der überparteiliche Lehrgang zielt darauf ab, dass Frauen mutig ihre Anliegen und ihre Potenziale in öffentlichen Gremien, Vereinen oder Parteien einbringen und durchsetzen sowie die Zivilgesellschaft mitgestalten. Bisher haben bereits 19 Lehrgänge mit rund 350 Teilnehmerinnen stattgefunden. Der nächste Kompetenzlehrgang startet im Herbst 2018.
Auch das Projekt „Womenomics“ schlägt in dieselbe Kerbe: In Workshops soll Frauen das nötige Handwerkszeug für einen Posten in einem Aufsichtsrat oder Beirat vermittelt werden.