Gewalt ist überall – hinschauen statt wegschauen!

„16 Tage gegen Gewalt an Frauen“ von 25. November bis 10. Dezember: Digitale Beratungsangebote für Frauen und Mädchen in Zeiten des Lockdowns

In der Zeit zwischen dem 25. November – dem Internationalen Gedenktag für die Opfer von Gewalt an Frauen und Mädchen – und dem 10. Dezember – dem Internationalen Tag der Menschenrechte – wird im Rahmen der „16 Tage gegen Gewalt an Frauen“ das Thema Gewalt gegen Frauen und Mädchen verstärkt in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt. Nachdem die Aktionstage in den zweiten Lockdown fallen, wird es heuer erstmals keine (analogen) Veranstaltungen geben und auch geplante Aktionen sind nicht im vollem Umfang umsetzbar.

„Mir ist es aber wichtig zu betonen, dass digitale (Beratungs-)Angebote aufrecht bleiben und ich appelliere an alle von Gewalt betroffenen Frauen und Mädchen, aber auch weitere vulnerable Gruppen wie Kinder und Jugendliche sowie Frauen und Mädchen mit Behinderungen, diese Hilfen und Unterstützungsmöglichkeiten in Anspruch zu nehmen“, betont Frauenlandesrätin Gabriele Fischer, zuständig auch für die Kinder- und Jugendhilfe sowie Sozialagenden. Wie im ersten Lockdown bieten die entsprechenden Beratungsstellen und sonstige Einrichtungen ihre Unterstützung weiterhin per Telefon, Chat oder Videokonferenzen an. „Im Rahmen der Covid-19-Sonderförderung wurde vonseiten des Landes die technische Ausstattung für Fraueneinrichtungen mit insgesamt 9.500 Euro gefördert. Diese Förderungen dienen zur Aufrüstung der Frauenberatungsstellen mit entsprechenden Schutzvorrichtungen wie etwa Plexiglas, aber auch mit der nötigen Hardware, um Beratungen auf digitalem Wege durchführen zu können.“

Förderungen für digitale Ausstattung der Beratungsstellen

Auch im Gleichstellungspaket 2020 – 2023 wurden zusätzliche 75.000 Euro für die Ausstattung von Gleichstellungseinrichtungen bereitgestellt: „Vor allem für jene Frauen und Mädchen, die in ländlichen Gebieten leben, stellt die bessere Erreichbarkeit der Frauen- und Mädcheneinrichtungen sowie gleichstellungsorientierten Anlaufstellen durch die Digitalisierung der Beratungsangebote eine wesentliche Erleichterung bei der Suche nach Hilfe und Unterstützung dar – auch außerhalb von Pandemiezeiten“, stellt LRin Fischer klar. Die Förderung der Ausstattung umfasst etwa Maßnahmen in den Bereichen Infrastruktur, Dolmetschunterstützung, Digitalisierung und Barrierefreiheit. Im Rahmen des Gleichstellungspaketes wurde zudem in der Abteilung Gesellschaft und Arbeit eine Gewaltpräventionsstelle neu eingerichtet. „Damit wurde eine zentrale Ansprechstelle nach außen für Maßnahmen des Landes Tirol zu Gewaltprävention und Gewaltschutz geschaffen. Kooperiert wird mit internen und externen Einrichtungen, um noch bessere Information, Vernetzung und Abstimmung zu bestehenden und geplanten Maßnahmen zu erzielen und Angebote bedarfsgerecht weiterzuentwickeln“, berichtet LRin Fischer.

Das berichten ExpertInnen aus der Praxis anlässlich der 16 Tage gegen Gewalt an Frauen:

„Die Pandemie stellt uns vor ganz neue Herausforderungen und wir versuchen alles, um das Virus vor der Frauenhaustüre zu lassen! Die Pandemie lehrt uns auch, dass wir noch sehr viel tun müssen, um mehr Verteilungsgerechtigkeit zu erreichen“, stellt Gabi Plattner vom Tiroler Frauenhaus klar. Das habe sehr viel mit dem Thema Gewalt zu tun, denn ohne Geschlechtergerechtigkeit gebe es keine Gewaltfreiheit, so Plattner weiter. Das Frauenhaus Tirol und das Angebot gehört zu den systemrelevanten Bereichen. „Wir sind daher rund um die Uhr für Frauen und Kinder, die von Gewalt betroffen sind erreichbar. Auch ambulante Beratungen können unter Einhaltung sämtlicher Covid-19 Sicherheitsmaßnahmen auch face to face stattfinden. Darüber hinaus kann die Beratung auch per Telefon oder per Mail stattfinden“, informiert Plattner und verweist auf das Angebot des Frauenhauses, das unter www.frauenhaus-tirol.at abrufbar ist. „Gewaltprävention ist ein Grundpfeiler unserer Arbeit und dank LRin Fischer kann dieser Bereich ständig weiterentwickelt und ausgebaut werden: Das Frauenhaus Tirol bietet Infoveranstaltungen, Fortbildungen, Schulungen zum Thema ‚Gewaltdynamik und Wege aus der Gewalt‘ – derzeit natürlich online an“, so Plattner.

Derzeit wird darüber diskutiert, ob man aufgrund der COVID 19 Pandemie und dem damit zusammenhängenden Lockdown von einem Anstieg der Familiären Gewalt ausgehen kann. „Aufgrund vorliegender Zahlen können wir dies nicht eindeutig belegen. Jedoch ist es augenscheinlich, dass Frauen in den letzten Monaten und auch jetzt noch einem gewaltigen Druck ausgesetzt waren und sind. Familien müssen erheblich mehr Zeit als gewohnt – möglicherweise in beengten Verhältnissen – zusammen verbringen, Existenzen sind durch den angespannten Arbeitsmarkt gefährdet. In Beziehungen, in denen schon zuvor Gewalt stattgefunden hat, nehmen Aggressionen aufgrund weniger Ausweichmöglichkeiten zu“, beschreibt Eva Pawlata vom Gewaltschutzzentrum die aktuelle Situation. Wieder einmal werde sichtbar, welcher Gefahr Frauen in den eigenen Wänden ausgesetzt sind. „Verstärkt wird diese Problematik dadurch, dass von Frauen derzeit noch mehr als sonst erwartet wird, Familie, Haushalt und den eigenen Beruf zu organisieren – und dies am besten so, dass andere Familienmitglieder die geltenden staatlichen Einschränkungen so wenig wie möglich selbst verspüren. Frauen werden dabei häufig nicht nur von ihrem Partner alleine gelassen, sondern auch von den geltenden gesellschaftlichen Strukturen in ein traditionelles und beengendes Lebenskonzept gezwängt“, führt Pawlata aus.

Auf die Tatsache, dass Frauen und Mädchen mit Behinderungen bis zu dreimal häufiger von Gewalt, sexualisierter Gewalt und Übergriffen betroffen sind als Menschen ohne Behinderungen, verweist Wolfgang Begus von Integration Tirol: „Hinzu kommt, dass Menschen mit Behinderungen häufig gar keine oder nur oberflächliche sexuelle Aufklärung erfahren. Dank der finanziellen Unterstützung vom Land Tirol kann Integration Tirol seit 2016 Information, Beratung, Vernetzung und Sensibilisierungsarbeit zur Gewaltprävention für Menschen mit Behinderungen anbieten.“ In isolierten (Sonder-)Einrichtungen sei die Gefahr von Übergriffen und Distanzlosigkeit sehr hoch, so Begus weiter. Konkrete Gewaltschutzkonzepte seien ebenso dringend nötig wie eine konsequente Umsetzung der UN-Menschenrechtskonvention.

„Im Tiroler Teilhabegesetz ist Gewaltprävention gesetzlich verankert. Das ist ein wichtiger Schritt.“ so Ludwig Plangger, Obmann der argeSODiT, dem Dachverband der Organisationen für Menschen mit Behinderungen. „Alle Leistungsanbieter haben, unabhängig von ihrer Größe, Gewaltschutzkonzepte erarbeitet und leben diese auch.“ Die Einbindung der Betroffenen ist dabei ein wichtiges Element, um die Konzepte in ihrem Sinne umzusetzen.

 

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