LH Mattle: „Ich werde die Tiroler Transitpolitik vor jeder Institution verteidigen“

Italien beantragt Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich

  • Tirol bereits vorbereitet und in Abstimmung mit Bund und ExpertInnen
  • Gespräche mit Italien werden fortgesetzt

Wenig überraschend kommt für Tirols Landeshauptmann Anton Mattle die Aufforderung Italiens zur Klageeinreichung bei der Europäischen Kommission. Das Land Tirol wurde heute, Donnerstag, über das Schreiben Italiens informiert. „Der italienische Verkehrsminister legt es darauf an und klagt gegen unsere Notmaßnahmen und damit gegen die Tirolerinnen und Tiroler. Als Landeshauptmann werde ich die Tiroler Anti-Transitmaßnahmen vor jeder Institution dieser Welt begründen, erklären und verteidigen. Es ist genug mit der Belastung. Jeder und jede sieht und spürt, dass entlang des gesamten Brennerkorridors Gesundheit, Umwelt und Infrastruktur überstrapaziert sind. Es braucht nicht weniger, sondern neue Maßnahmen, um der Transitbelastung Herr zu werden und die Verkehrswende zu schaffen. Wir bleiben in der Transitfrage, gemeinsam mit Bayern und innerhalb der Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino, konstruktiv und gesprächsbereit. Dem Druck des italienischen Verkehrsministers und seiner Transit-Lobby werden wir aber nicht nachgeben“, reagiert LH Mattle.

Das Bundesland Tirol hat sich in den vergangenen Monaten bereits auf eine etwaige Klage vorbereitet. „Ich stehe im Austausch mit dem Bundeskanzler, dem Außenminister, der Europaministerin und der Verkehrsministerin. Europarechtsexperten geben der Klage mit Verweis auf bestehende Vereinbarungen wie der Alpenkonvention, dem Weißbuch ‚Verkehr‘ oder dem ‚Green Deal‘ der Europäischen Kommission ohnehin wenig Chancen, mit der Maximalforderung – nämlich dem Aufheben aller Fahrverbote – wird sich Salvini nicht durchsetzen können. Zudem haben wir bereits im vergangenen Jahr den parteiübergreifenden Schulterschluss im Tiroler Landtag erneuert“, erklärt LH Mattle. Für ihn sind die verkehrsbeschränkenden Notmaßnahmen auf der Inntal- und Brennerautobahn für den Schutz der Gesundheit und der Umwelt, für die Sicherstellung der Funktionsfähigkeit einer wichtigen europäischen Hauptverkehrsachse und für die Versorgungssicherheit im gesamten Land unerlässlich.

„Ohne die gerechtfertigten Fahrverbote und Verkehrsbeschränkungen wäre ein Verkehrskollaps nicht mehr zu verhindern. Das würde weitreichende Folgen für die Tiroler Bevölkerung und die gesamte europäische Wirtschaft mit sich bringen. Italien selbst hat sich in der Vergangenheit stets zu einer Reduktion des Güterverkehrs auf der Straße, der Verlagerung auf die Schiene und der Verkehrswende bekannt“, ruft LH Mattle in Erinnerung. Abseits der Klage will der Landeshauptmann insbesondere beim intelligenten Verkehrsmanagementsystem gesprächsbereit bleiben. „Ein Vertragsverletzungsverfahren ist langwierig und bringt keine Lösungen für die Menschen entlang der Brennerstrecke. Hier braucht es neue intelligente Maßnahmen, an denen wir weiterhin arbeiten – auch mit Italien“, fühlt sich LH Mattle durch seine Besuche in Wien, Rom und Brüssel bestärkt.

Gemäß dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union ist ein Mitgliedstaat berechtigt, bei vermuteten Vertragsverstößen gegen einen anderen Mitgliedstaat Klage vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg einzureichen. Zuvor muss Italien aber die Kommission mit formalem Schreiben auffordern, selbst aktiv zu werden – das hat die italienische Regierung jetzt getan. Reagiert die Kommission auf das italienische Schreiben nicht innerhalb von drei Monaten oder lehnt sie Klags-Aufforderung ab, kann Italien selbst vor den EuGH ziehen. Im Schnitt dauert ein EuGH-Verfahren eineinhalb bis zwei Jahre. Europarechtsexperte Walter Obwexer wiederholt dabei seine rechtliche Einschätzung: „Grundsätzlich muss sich Tirol keine Sorgen machen, der freie Warenverkehr gilt nämlich nicht uneingeschränkt, sondern darf aus wichtigen Gründen eingeschränkt werden. Die Tiroler Maßnahmen sind alle EU-konform ausgestaltet. Sie sind auf den Schutz der Umwelt und die Gesundheit der Bevölkerung sowie die Funktionsfähigkeit der Autobahn gestützt und dienen zusätzlich dem Ziel der Verlagerung des Schwerverkehrs von der Straße auf die Schiene, wie dies in der Alpenkonvention und auch in den von der Union formulierten Zielen vorgesehen ist. Bei den Luftgrenzwerten, die aktuell in Tirol größtenteils eingehalten werden, plant die Europäische Union eine Verschärfung der Luftqualitäts-Richtlinie, das spielt Österreich in die Hände. Aber auch kurzfristig wird Österreich der Nachweis gelingen, dass sich im Falle einer Aufhebung der LKW-Fahrverbote die Luftgrenzwerte wieder verschlechtern und Grenzwerte überschritten würden. Italien wird mit seiner Maximalforderung, nämlich der Aufhebung aller Tiroler Fahrverbote, nicht durchdringen. Im schlimmsten Fall muss es Anpassungen einzelner Maßnahmen geben, gänzlich fallen werden diese aber aus heutiger Sicht nicht“, ist Obwexer überzeugt.