Elementarbildungs-Newsletter: 04.12.2024
„Denken anregen, Kommunikationsbedürfnisse verstehen“
Möglichkeiten der Sprachförderung für Kinder in der stillen Phase ihrer Mehrsprachigkeit
In der Sprachberatung begegnen wir häufig ElementarpädagogInnen, die mit Blick auf den Schulstart besorgt von Kindern erzählen, welche noch über gar keine oder geringe verbale Sprachproduktion verfügen.
Dem gegenüber steht unser aller elementarpädagogisches Fachwissen, dass das Bedürfnis nach Kommunikation und sozialer Zugehörigkeit der Motor des kindlichen Spracherwerbs ist bzw. die Denkleistung von Kindern, im Sinne einer inneren Sprache, gerade zu Beginn des sukzessiven Zweitspracherwerbs ihre zentrale Ressource darstellt.
Kinder ab dem vierten Lebensjahr sind zunehmend in der Lage, Repräsentationen von der Wirklichkeit zu bilden und somit auch die gedankliche Perspektive ihres Interaktionspartners einzunehmen. Außerdem lernen sie zeitliche Dimensionen zu erfassen und können dadurch sprachlich auf „mentale Zeitreise“ zu vergangenen Erlebnissen oder zu ihren Plänen für ihr zukünftiges Handeln gehen.
Diese kognitiv-sprachlichen Fähigkeiten von Kindern erweitern unsere sprachförderlichen Handlungsmöglichkeiten, insofern, als wir den Fokus zunehmend von situationsbezogenen (Benennen und Beschreiben von Dingen/Ereignissen, die im gemeinsamen Wahrnehmungsraum präsent sind) auf situationsübergreifende Interaktionsangebote verlagern können (Verbalisieren von rein gedanklichen Inhalten mittels Erzählen, Berichten, Erklären, Argumentieren, Bewerten etc.).
Gerade für Kinder, die erst im Kindergarten mit dem Erwerb der Zweitsprache Deutsch beginnen, ist es von enormer Wichtigkeit, dass sie die neuen Sprachstrukturen in der Auseinandersetzung mit jenen Themen erlernen dürfen, die sie dank ihrer fortgeschrittenen Denkleistung gerade beschäftigen, um eben ihren Kommunikationsbedürfnissen gerecht zu werden. Damit besteht die große Chance, dass Kinder in kurzer Zeit die nötige Sicherheit erlangen, um sprachlich produktiv werden zu können.
Welche konkreten Handlungsstrategien uns nach heutigem Stand der empirischen Forschung zur sprachlichen Bildung zur Verfügung stehen, um Kinder in ihrer stillen Spracherwerbsphase innerhalb der Zone ihrer nächstmöglichen Entwicklung adaptiv zu unterstützen, wird im Zuge der pädagogischen Beratungsbesuche von den Sprachberaterinnen gemeinsam mit den MultiplikatorInnen maßgeschneidert für die jeweilige Einrichtung erarbeitet.
Literatur:
Isler, D. (Hrsg.) (2024): Frühe Sprachbildung in pädagogischen Einrichtungen. Am Beispiel mehrsprachiger Kinder in Deutschschweizer Spielgruppen. Weinheim; Basel: Beltz Juventa 2024
Lohmann – Weiß, A. (2014): Die Entwicklung kognitiver Fähigkeiten von Kindern im Alter von 3 bis 5 Jahren: Analyse der Fähigkeitsbereiche Theory of Mind, mentale Zeitreise sowie Sprache und Gedächtnis. Universität der Bundeswehr München zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Philosophie.
Mackowiak, K./ Beckerle, C./ Gentrup, S. / Titz, C. (Hrsg.) (2020): Forschungsinstrumente im Kontext institutioneller (schrift-)sprachlicher Bildung. Bad Heilbrunn: Verlag Julius Klinkhardt.
Weitere Information zum Angebot der Sprachberatung finden Sie hier: Sprachförderung | Land Tirol