Ein Gauhaus als „auffliegender Adler“ wird gebaut
Die Entscheidung für den Neubau eines Gauhauses trifft Franz Hofer im Sommer 1938. Seit über 30 Jahren wird immer wieder ein Zubau zum bestehenden Alten Landhaus aus dem 18. Jahrhundert projektiert, sodass die Gauleitung auf weit vorausgehende Planungen zurückgreifen kann. Das Projekt wird in kürzester Zeit abgewickelt. Zwischen der Ausschreibung eines beschränkten Wettbewerbs und dem Einzug der ersten Abteilungen vergeht lediglich ein Jahr. Knapp über 200 Bauarbeiter arbeiten auf der Baustelle ab Mitte Oktober 1938 über die Wintermonate hindurch. Mitte des Jahres 1939 beziehen die ersten Abteilungen das Gebäude. Mit der Vollendung des rückwärtigen Wirtschaftstrakts ist der Bau Ende 1941 fertiggestellt.
Den Entwurf des Gauhauses liefern die Gewinner des Wettbewerbs, die Architekten Walter und Ewald Guth. Der Gestaltung mit hohem Mittelrisalit und geschwungenen Seitenflügeln liegt die Idee eines „auffliegenden Adlers“ zugrunde. Zugunsten einer höheren Raumauslastung werden die Pläne mehrfach überarbeitet. Auch die radikal nüchterne Monumentalgestaltung des ursprünglichen Entwurfs wird im Sinne der NS-Propagandaarchitektur klassizistisch überformt. Die angestrebte repräsentative Wirkung des Gebäudes bleibt aus.
Vorausgehende Planungen
1. Lageplan zum Wettbewerbsbeitrag von Walter und Ewald Guth. Farbige Markierung der Besitzverhältnisse und notwendigen Maßnahmen: Die schwarze Linie umfasst das Eigentum des Landes, grün eingefasst ist fremdes Eigentum, die in gelbem Ton markierten Gebäude sind zum Abbruch bestimmt und der geplante Vorplatz ist durch rot gestrichelte Linien eingezeichnet.
2. Baubestand zwischen Landhaus-Straße (heute Meraner Straße), Maria-Theresien-Straße und Verlängerung der Karl-Straße zur heutigen Wilhelm-Greil-Straße. Situationsplan um 1910, StAI
1./2. Das ständig wiederkehrende Problem des Platzmangels und die somit notwendigen Anmietungen und Ankäufe von benachbarten Liegenschaften leiten bereits 1908 erste Schritte für eine Erweiterung des bestehenden Landhauses aus dem 18. Jahrhundert ein. Trotz vorliegendem Baubescheid scheitert das Bauprojekt mit Beginn des Ersten Weltkriegs an fehlenden finanziellen Mitteln.
Wettbewerb für das Tiroler Gauhaus
1. Schreiben an Landesrat Linert vom August 1938 mitsamt Auflistung der Honorare für die Teilnehmer am Architekturwettbewerb für das Gauhaus, TLA
2. Abstrahierte Entwurfsskizze von Walter und Ewald Guth, Archiv für Bau.Kunst.Geschichte
3. Siegerentwurf im Wettbewerb für den Bau des Gauhauses von Walter und Ewald Guth, August 1938, Archiv für Bau.Kunst.Geschichte
1. Für die Realisierung eines neuen Gauhauses schreibt die Gauleitung im Sommer 1938 einen beschränkten Ideenwettbewerb aus. Ausschließlich Innsbrucker Architekten sind eingeladen. Die Parteizugehörigkeit zur NSDAP ist ebenso Voraussetzung für die Teilnahme wie berufliche Erfahrung als Architekt. Zur Einreichung kommen acht Entwürfe der Architekten Walter und Ewald Guth, Viktor Stanger, Erich Millbacher, Franz Baumann, Alfred Karl Matuella, Karl Zani, Wilhelm Stigler und Hans Feßler. Die eingesetzte Jury tagt im August 1938. Als Siegerprojekt wird der Entwurf der Brüder Walter und Ewald Guth ausgewählt.
2./3. Der Siegerentwurf zeigt einen streng symmetrisch angelegten Bau mit hohem Mitteltrakt. Zu beiden Seiten spannen sich weite Flügelbauten. Eine weitläufig dargestellte Platzanlage wird von zwei mächtigen Pylonen gesäumt.
Bauten der NS-Propaganda
1. Ansicht der Südfassade, Erweiterung um ein Geschoss, Walter und Ewald Guth, August 1938, TLA
2. Ansicht der Südfassade, Albert Bermoser, Oktober 1938, TLA
3. Erweiterungsbau nach Fertigstellung 1939, Foto: Richard Müller, StAI
1. Zur Vorbereitung auf den Wettbewerb stützen sich Walter und Ewald Guth auf das Formenrepertoire der NS-Architektur, die in zahlreichen Zeitschriften und Publikationen zu Propagandazwecken inszeniert wird. Das NS-Regime formuliert kein stilistisches Regelwerk für Architektur, sondern präsentiert zur Orientierung vorbildhafte Bauten von „Hitlers Architekten“ wie Paul Ludwig Troost und Albert Speer. Hitlers „Kulturreden“ gelten zwar programmatisch richtungsweisend für NS-Architekten, doch ist daraus kein „Rezept“ für die unterschiedlichen Bauaufgaben abzuleiten.
2./3. Die weiteren Überarbeitungen und Veränderungen der Fassade gehen auf den Leiter des Bauamtes Albert Bermoser zurück. Dieser greift vehement in die Ursprungsgestaltung des radikal nüchternen und monumentalen Fassadenentwurfs des Wettbewerbsbeitrags ein. Er fügt fassadengliedernde Elemente hinzu und verändert das Erscheinungsbild zugunsten einer NS-klassizistischen Ausrichtung.
Baustelle Gauhaus
1. Bautagebuch von Engelbert Plank, Mitarbeiter der Hochbauabteilung, 8. Oktober 1938 bis 14. April 1939, (Faksimile zum Blättern)
1. Auf der Baustelle wird ab Oktober 1938 rund um die Uhr gearbeitet – auch zwischen Weihnachten und Silvester. Der hohe technische Einsatz von Luftdruckwerkzeugen, Greifbaggern, eines Bauaufzugs und eines Beton-Durchlaufmischers, dem „Kaisermischer“, sorgt für einen raschen Baufortschritt. Große Schneemengen Mitte März 1939 bringen Verzögerungen mit sich.
Noch während der Schuttbeseitigung der ersten Abrisse bestehender Bauten setzen die Aushubarbeiten ein. Der Transport von Abraum- und Baumaterial erfolgt über Waggons auf Schienen, einer eigens eingerichteten „Feldbahn“.
Die stufenweisen Baumaßnahmen beginnen im Westen im direkten Anschluss an das Taxispalais und erfolgen in sechs Bauabschnitten Richtung Osten. Zur Firstfeier am 6. Mai 1939 berichten die „Innsbrucker Nachrichten“: Über 2,5 Millionen Ziegel „deutschen Formats“, 6.500 Kubikmeter Kies, 3.000 Kubikmeter Sand, 75 Waggons Zement und 320 Tonnen Eisen sind verbaut. 30 Wochen lang arbeiten im Durchschnitt 210 Männer auf der Baustelle. Darunter Bautrupps aus München und Italien. Zwangsarbeiter werden nicht eingesetzt.