Das Kindschaftsrechtsänderungsgesetz
Das Kindschaftsrechtsänderungsgesetz 2001 gültig ab 1. Juli 2001
Das Kindschaftsrechtsänderungsgesetz (im Folgenden kurz KindRÄG 2001 genannt) umreißt die rechtlichen Beziehungen zwischen Unmündigen und Minderjährigen einerseits und allen anderen natürlichen und juristischen Personen etc. andererseits.
Die gesetzliche Grundlage bildet nach wie vor das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (ABGB), welches noch unter Kaiserin Maria Theresia herausgegeben wurde und in manchen Paragrafen noch heute Gültigkeit hat. Sehr viele Gesetzesteile davon wurden jedoch im Laufe der Jahrzehnte reformiert und der jeweiligen Zeit und den jeweiligen Bedürfnissen angepasst.
So wurden allein jene Gesetzesteile, welche Kinder und Jugendliche betroffen haben, im Jahre 1973 durch die Herabsetzung der Volljährigkeit von damals 21 auf 19 Jahre und letztmalig 1989 reformiert. Die Gepflogenheiten im europäischen Raum, der Zeitgeist und mittlerweile wieder reformbedürftige Gesetzesteile gaben den Anstoß zur Schaffung eben dieses KindRÄG 2001.
Auf Grundlage dieses Gesetzes werden einzelne Paragrafen des ABGB, des Ehegesetzes, des Außerstreitgesetzes und viele andere mehr - genau 15 an der Zahl - abgeändert, gestrichen oder neu hinzugefügt. Im Folgenden werden die wichtigsten Neuerungen kurz dargestellt.
Volljährigkeit:
Bis zum 1. Juli 2001 wird ein Jugendlicher an seinem 19. Geburtstag volljährig. Dem EU-Trend folgend, wird dieser Zeitpunkt um 1 Jahr zurückgenommen, so dass in Hinkunft Jugendliche an ihrem 18. Geburtstag die Volljährigkeit erlangen. Ab diesem Zeitpunkt sind dann diese "Erwachsenen" voll handlungs- aber auch voll deliktfähig.
Letzteres bedeutet, dass sie strafrechtlich auch wie ein Erwachsener behandelt werden. Das Gesetz unterscheidet verschiedene Altersgruppen: "Unmündige" im Alter von 0 - 14 Jahren, von einem "Minderjährigen" in der Altersstufe von 14 - 18 Jahren und über 18 Jahren, wo von Erwachsenen oder Volljährigen gesprochen wird.
Auch weiterhin können Unmündige wie Minderjährige ohne formelle Einwilligung eines Elternteiles oder Erziehungsberechtigten Geschäfte abschließen, die ihrem Altersstand entsprechen. So kann beispielsweise ein 8jähriger Unmündiger rechtsgültig ein Eis oder ein Comic-Heft kaufen, er kann aber nicht rechtsgültig ein Jahres-Abo für dieses Comic-Heft unterschreiben. Ein(e) 15jährige(r) wird sicherlich ein gebrauchtes Fahrrad um € 1.00,- erwerben können, er (sie) wird jedoch nicht rechtsgültig das Sparbuch plündern und den Kauf eines Computers um € 2.000,- tätigen dürfen. Eine Verlängerung oder Verkürzung der Minderjährigkeit (wie im alten Gesetz noch möglich) ist nach dem neuen KindRÄG ausgeschlossen.
Ehemündigkeit:
Früher konnte eine männliche volljährige Person (also 19 Jahre) mit einer weiblichen Person mit mindestens 16 Jahren eine rechtsgültige Ehe eingehen, wenn die Eltern oder Obsorgeberechtigen der weiblichen Person hiefür die Zustimmung gaben. Das Gericht konnte über Antrag diese Grenzen auf 18 Jahre bei männlichen Personen und auf 15 Jahre bei weiblichen Personen verkürzen, wenn es der Ansicht war, dass sich beide der Verantwortung und Tragweite ihres Entschlusses bewusst sind.
Im Volksmund war dies als "Heiratszeugnis" bekannt. Nach dem neuen Recht bedürfen beide Ehewilligen ihrer Volljährigkeit, d.h. beide müssen das 18. Lebensjahr vollendet haben. Mittels Gerichtsbeschluss kann die Ehemündigkeit bei einem der beiden Teile auf 16 Jahre herabgesetzt werden, der zweite Teil muss jedoch volljährig sein. Es ist unerheblich, ob dies der weibliche oder männliche Teil der Ehewilligen ist.
Ehelichkeitsvermutung, Ehelichkeitsbestreitung:
Nach dem alten Recht galt ein geborenes Kind als ehelich, wenn es weniger als 302 Tage nach dem Tod oder der Auflösung (Scheidung) der Ehe geboren wurde. Diese Frist wurde nun in Anpassung an andere europäische Rechtsordnungen auf 300 Tagen verkürzt und gilt nur mehr bei Tod des Ehemannes in aufrechter Ehe.
Wird nun eine Ehe geschieden oder für nichtig erklärt, gilt ein Kind ab dem Tage der Rechtskraft des gerichtlichen Urteils oder Beschlusses für unehelich, also aus nicht aus dieser alten Ehe stammend. Es entfällt somit die doch recht aufwendige Ehelichkeitsbestreitungsklage. Die Erfahrungswerte der letzten Jahre haben gezeigt, dass etwa 95 % aller Bestreitungsklagen zum Erfolg geführt haben, das heißt, dass Kinder, welche innerhalb von 300 (302) Tagen nach der Scheidung oder Aufhebung der Ehe geboren wurden, nicht mehr vom ehemaligen Ehegatten abstammen. In nicht wenigen Fällen war ja der "neue Freund" mitunter der Scheidungsgrund.
Abstammung, Vaterschaftsanerkenntnisse:
Bisher galt ein Kind als ehelich, wenn es in aufrechter Ehe oder in weniger als 300 (302) Tagen nach Scheidung (Aufhebung) der Ehe geboren wurde. Außerehelich war das Kind in allen anderen Fällen und konnte (musste aber nicht) die Mutter des Kindes einen außerehelichen Vater feststellen lassen.
Dies geschah in den meisten Fällen durch die Vaterschaftsanerkennung durch den Kindesvater vor dem Jugend- oder Standesamt.
Traten nun nachträglich Zweifel an der Richtigkeit dieser Anerkenntnisse auf, so konnten diese nur mittels Klage bei Gericht beseitigt werden (Klage auf Rechtsunwirksamkeit eines Vaterschaftsanerkenntnisses, Bestreitung der ehelichen Geburt). Der Gesetzgeber hat nun mit dem neuen KindRÄG die Sache vereinfacht. 1 Tag nach Rechtskraft der Scheidung oder Aufhebung der Ehe gilt das Kind bereits als unehelich.
Dem Anerkenntnis des richtigen Vaters steht nun nichts mehr im Wege! Erkennt nun ein Mann die Vaterschaft zu einem Kind an und ein anderer Mann erkennt die Vaterschaft zu einem späteren Zeitpunkt ebenfalls an, so wird das erste Anerkenntnis automatisch ungültig. (Bisher: gerichtliche Bestreitung der Rechtsunwirksamkeit ... und erst dann war das neue Anerkenntnis möglich.) Der "erste Vater" müsste nun zur Aufrechterhaltung seines Anerkenntnisses Widerspruch einbringen. Auch in aufrechter Ehe kann ein anderer Mann die Vaterschaft zu einem (noch ehelichen) Kind anerkennen. Dieses Anerkenntnis hat Gültigkeit, außer der Ehemann legt gegen dieses Anerkenntnis Widerspruch ein.
Obsorge:
In aufrechter Ehe sind beide Ehepartner mit der Obsorge betraut ("Sorgerecht"). Anlässlich einer Scheidung wurde die Obsorge nach dem bisherigen Recht nur einem Elternteil übertragen. Nach der neuen Rechtslage sind auch nach der Scheidung weiterhin beide Elternteile gemeinsam mit der Obsorge betraut; mittels einer Vereinbarung können die Eltern jedoch festlegen, dass die Obsorge nur von einem Elternteil ausgeübt wird.. Bei der gemeinsamen Obsorge nach der Trennung ist es allerdings notwendig, dass die Eltern den überwiegenden Aufenthalt des Kindes festlegen (Domiziliarvereinbarung).
Es kann auch festgelegt werden, dass nur bestimmte Teile der Obsorge ein Elternteil alleine übernimmt und der andere großteils zusammen ausgeübt wird. Jener Elternteil, bei dem sich das Kind überwiegend aufhält, muss mit der gesamten Obsorge betraut sein. Es ist aber nicht möglich, dass die Obsorge nach "Halb-Halb" oder "Drei-Viertel - Ein Viertel" etc. übernommen wird. Auch bei Lebensgemeinschaften ist es in Hinkunft möglich, dass die Obsorge beide Elternteile ausüben. Eine alleinige Obsorge ist hier nur durch die Kindesmutter möglich, auch Teile davon können nicht abgegeben werden.
Besuchsrecht - Besuchspflicht:
Auch nach der bisherigen Gesetzeslage stand jenem Elternteil, welcher die Obsorge nicht ausübte, grundsätzlich ein Besuchsrecht zu. Bei Uneinigkeit zwischen den Eltern konnte das Pflegschaftsgericht angerufen werden, welches dann das Besuchsrecht im genauen Umfang regelte (beispielsweise jedes 2. Wochenende von Freitag 14 Uhr bis Sonntag 17 Uhr beim Vater).
Nur wenn schwerwiegende Gründe vorlagen, konnte das Besuchsrecht gerichtlich entzogen werden (z.B. Gefährdung des Unmündigen, Minderjährigen anlässlich der Besuche). Eine Besuchspflicht war der bisherigen Gesetzesmaterie fremd. Das neue Kindschaftsrechtänderungsgesetz sieht beides vor, sowohl das Recht wie die Pflicht. Weiters erhält der Minderjährige Parteistellung, also volle Mitsprache. Das Besuchsrecht ist nach wie vor gerichtlich durchsetzbar, d.h. der verweigernde Teil kann vom Gericht mit Ordnungsstrafen belegt werden.
Verweigert jedoch ein(e) mündige(r) Minderjährige(r) den weiteren Umgang mit dem anderen Elternteil, so hat der Pflegschaftsrichter nach erfolgloser Belehrung das anhängige Besuchsregelungsverfahren einzustellen. Der (die) mündige Minderjährige bestimmt also alleine, ob Besuchskontakt gewünscht wird oder nicht. Das Besuchsrecht kann natürlich weiterhin gerichtlich entzogen werden, wenn das Wohl des Unmündigen oder Jugendlichen gefährdet wäre.
Die Besuchspflicht wurde neu geschaffen. Bis 14 Jahren kann der/die Obsorgeberechtigte bei Gericht diese Pflicht einfordern, ab 14 Jahren der/die Minderjährige selbst. Kommt der/die "Besuchspflichtige" dieser Forderung trotz Belehrung durch den Vormundschaftsrichter nicht nach, kann ihm das "Informationsrecht" entzogen werden.
Er hat dann keinen Anspruch mehr auf Information über sein Kind (beispielsweise Einsicht in Schulzeugnisse). Dieses Kindschaftsrechtänderungsgesetz umfasst noch viele weitere Punkte, doch würde die gesamte Aufzählung samt Kurzerläuterung den hier gesteckten Rahmen sprengen.