Dreier-Landtag: Zweiter Sitzungstag

  • 19 von 20 Anträgen beschlossen
  • Verkehrsantrag zurückgezogen
  • Vorsitz an Trentino übergeben

Mit einem Antrag zur Förderung der Zusammenarbeit in puncto epidemiologischer und virologischer Forschung begann heute Freitag, 22. Oktober 2021 um 9 Uhr der zweite Sitzungstag des Dreier-Landtages. Damit wurde der Themenblock Gesundheit fortgesetzt. Es folgten die Bereiche Gesellschaft, Kunst und Kultur sowie Verkehr. Am Ende der Sitzung übergab die geschäftsführende Präsidentin Sonja Ledl-Rossmann der Vorsitz an ihren Trentiner Kollegen Walter Kaswalder, der den Gemeinsamen Landtag für die kommenden zwei Jahre leiten wird.

Gesundheit

Förderung der Zusammenarbeit von Forschungszentren und Universitäten innerhalb der Euregio Tirol-Südtirol-Trentino zur Schaffung eines Forschungszentrums für Epidemiologie und Virologie: Der Dreier-Landtag wolle beschließen, dass sich die drei Landesregierungen gemeinsam dafür einsetzen, ab sofort eine gezielte Zusammenarbeit betreffend gemeinsame Forschungsprojekte zu epidemiologischen und virologischen Studien zu fördern, die mit den Universitäten und den Forschungszentren der drei Landesteile im Austausch stehen. Der Antrag wurde einstimmig angenommen.

Gesellschaft

Sprachförderung: Bestehende Sprachförderprogramme sollen geprüft und bei Bedarf zusätzliche Förderprogramme für Zweitsprachkurse in Tirol für Italienisch und im Trentino für Deutsch erarbeitet und beiderseits die finanzielle Förderung gewährleistet werden. Alle MandatarInnen stimmten dem zu.

Radiomagazin in der Europaregion Tirol: 1. Der Dreier-Landtag spricht sich für eine gemeinsame und grenzüberschreitende regelmäßige Radiosendung in der Europaregion Tirol aus, 2. Der Dreier-Landtag fordert die Landesregierungen auf, zur Umsetzung einer solch grenzüberschreitenden Radiosendung mit den Rundfunkstationen in Kontakt zu treten, damit eine solche Sendung produziert und zeitgleich in allen Landesteilen ausgestrahlt werden kann. Auch hier erfolgte eine einstimmige Annahme.

Recht der Bürger auf Teilhabe an den Angelegenheiten der lokalen Gebietskörperschaften: Der Dreier-Landtag wolle beschließen, zur Förderung der Bürgerbeteiligungsgremien auf interinstitutioneller Ebene zusammenzuarbeiten, um die effektive Anerkennung der Rechte, die in Artikel 21 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und in Artikel 25 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte festgehalten sind, zu gewährleisten, und dazu einen Bericht auszuarbeiten, der vor der Einberufung der Sitzung des Dreier-Landtags erscheinen soll – ohne Gegenstimme angenommen.

Arbeitstisch der Euregio für soziale Inklusion und die Bekämpfung von Ausgrenzung: Die Landtage Trentinos, von Südtirol und Tirol sollten sich ausdrücklich dafür aussprechen, den Präsidenten des EVTZ – Euregio Tirol-Südtirol-Trentino aufzufordern, zur Erreichung der Zielsetzungen im Tätigkeitsprogramm die Einrichtung des Arbeitstisches der Euregio für soziale Inklusion und die Bekämpfung von Ausgrenzung zu verankern: die Daten zu Armut und Ausgrenzungsrisiko in den drei Landesteilen zu vergleichen, einen Austausch von Best-Practice-Verfahren einzuleiten und gemeinsame Projekte für soziale Inklusion aufzubauen, insbesondere, um Wohnungslosen konkrete Antworten geben zu können und ausgegrenzte Personen wieder in die Gesellschaft zu integrieren, und diese auch durch den FSE+ oder andere europäische Fonds für spezifische Projekte zu finanzieren – einstimmige Annahme.

Ausbau der Euregio-Jugendaktivitäten im Bereich der Vermittlung von digitalen Kompetenzen: Es sollen Jugendprojekte im Bereich der Vermittlung von digitalen- und Medienkompetenzen innerhalb der Euregio angeboten werden. Informationen zum Umgang mit Verschwörungstheorien und Fake News sollen Teil davon sein. Die Initiative „Coding4Kids“ soll dabei unterstützt werden, die Workshops zukünftig auch Kindern und Jugendlichen aus dem Trentino zugänglich zu machen. Zudem soll geprüft werden, wie im Rahmen der Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino die Voraussetzungen zur Durchführung grenzüberschreitender Aktivitäten von Jugendgruppen und Schulen mit unter 14-Jährigen unter denselben Bedingungen wie innerhalb des eigenen Landes geschaffen werden können. Dies schließt insbesondere die Analyse der bestehenden Rechtslage und das Aufzeigen möglicher Lösungen ein. Auch dieser Antrag wurde von allen Abgeordneten angenommen.

Kunst und Kultur

Einrichtung des „TAP“ – Tiroler Archiv für photographische Dokumentation und Kunst: Die Landesregierungen von Tirol, Südtirol und Trentino werden ersucht, • die Einrichtung des „TAP“ – Tiroler Archiv für photographische Dokumentation und Kunst – im Rahmen der Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino als bleibende Einrichtung zu institutionalisieren, • gemeinsam entsprechende finanzielle Mittel unter Einbeziehung von europäischen Programmen zur Basissicherung zur Verfügung zu stellen sowie • die Möglichkeiten zur Integration des TAP in bestehende Landeseinrichtungen sowie die Verstärkung der institutionellen Zusammenarbeit mit diesen (z. B. Landesmuseen, Landesarchive) zu prüfen. Die Annahme erfolgte einstimmig.

Projekte zur Stärkung von Zentren zum Schutz der sprachlichen Minderheiten: Der Landtag wolle beschließen, die Stärkung und Förderung von Kultur- und Sprachprojekten von Zentren zum Schutz der sprachlichen Minderheiten in der Euregio – ohne Gegenstimme angenommen.

Kulturrouten in der Euregio fördern: Der Dreier-Landtag wolle beschließen, 1. die Landesregierungen der drei Länder aufzufordern, Kulturrouten mit Bezug auf das gesamte Euregio-Gebiet zu entwickeln, um einen Kulturtourismus voranzutreiben, der die Aushängeschilder und Besonderheiten der Euregio in den Vordergrund stellt; 2. in den Museen der Euregio Schulprojekte weiter zu entwickeln, um ein gemeinsames Geschichtsbewusstsein zu schaffen und zu stärken. Auch dieser Antrag wurde einstimmig angenommen.

Verkehr

Die Alpen mögen’s leise: Initiative zur Reduzierung des Motorlärms in der Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino: Der Dreier-Landtag wolle beschließen: 1. eine länderübergreifende Initiative mit präventiven Lärmmessungen und Geschwindigkeits- und Auspuffkontrollen zu starten, die auch als solche international kommuniziert wird; 2. Reglementierungen in einem ganzheitlichen Konzept zwischen den Regionen eng abzustimmen; 3. eine länderübergreifende Sensibilisierungskampagne zum leisen Fahren und mit der Aufforderung zur Rücksicht zu initiieren, um bewusst zu machen, dass jede Fahrerin und jeder Fahrer verantwortlich ist für die Lebensqualität der Menschen entlang der Straßen und Wege, die sie oder er befährt – einstimmige Annahme.

Aktive Umsetzung der EU-Strategie Green Deal / Neue Methoden entwickeln, um Landschaft als Lebensgrundlage langfristig zu sichern: Der Dreier-Landtag wolle beschließen: - Im Dialog mit EUSALP und mit den zuständigen Entscheidungsträgern (Politik, Wirtschaft, Umwelt, Land- und Forstwirtschaft usw.) unter Einbeziehung der Wissenschaft, neue Methoden für die langfristige Sicherung der Landschaft als Lebensgrundlage zu entwickeln und grenzüberschreitend umzusetzen; - Landschaft als Lebensgrundlage Priorität in Entscheidungen einzuräumen; - die gesellschaftliche Wahrnehmung und Wertschätzung der Landschaft zu stärken; - die regionalen Akteure zu sensibilisieren und aktiv miteinzubeziehen. Auch hier stimmten alle MandatarInnen zu.

Für eine gemeinsame Verkehrspolitik zwischen dem Land Tirol und den Provinzen von Trient und Bozen: Der Dreier-Landtag wolle beschließen: - alle denkbaren Initiativen zu unterstützen und zu ergreifen, die eine einheitliche und gemeinsame Verkehrspolitik vorantreiben, mit dem Ziel, auf beide Seiten des Brenners und im Einklang mit den Grundprinzipien der Europäischen Union, der sowohl Österreich als auch Deutschland angehören, aufeinander abgestimmte Maßnahmen zu treffen; - eine gemeinsame Bewertung des Verkehrsaufkommens in die Wege zu leiten, um zu einer in ökologischer, wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht verträglichen Regelung des Straßenverkehrs zu gelangen; - auf alle technischen Möglichkeiten – wie Lärmschutzwände, schallabsorbierenden Asphalt, innovative Technologien usw. – zurückzugreifen, um die Lebensqualität aller Bürgerinnen und Bürger, die entlang der Brennerachse wohnen, zu verbessern und den Speditionsunternehmen gleichzeitig nicht unnötig die Arbeit zu erschweren; dies gilt insbesondere für das Fahrpersonal, dessen Arbeit uns Endverbrauchern, direkt oder indirekt, zugutekommt; - Initiativen zu ergreifen, um die unterschiedlichen Spannungen der Stromleitungen auf den Bahn-abschnitten anzugleichen und somit die Zugkraft für die Brennerachse festzulegen; - die Verwirklichung eines geräuscharmen Bahn-korridors zu fördern, indem altes und lärm intensives Rollmaterial schrittweise aus dem Verkehr gezogen wird und nach und nach Lärmschutzwände angebracht werden. Dieser Antrag wurde von der Antragstellerin am Ende der Debatte zurückgezogen.

Zwei Tage Dreier-Landtag zusammengefasst

Abschließend an die Sitzung resümierte Landtagspräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: „Zwei intensive, aber produktive Sitzungstage liegen nun hinter uns. 19 von 20 auf der Tagesordnung stehende Anträge wurden angenommen, der absolute Großteil sogar einstimmig. Aber auch die Debatte zum Antrag über die gemeinsame Verkehrspolitik, der schließlich von der Antragstellerin zurückgezogen wurde, machte deutlich, wie wichtig diese Diskussions- und Entscheidungsplattform ist. Eine sachlich geführte Debatte trägt immer dazu bei, Verständnis für alle beteiligten Seiten zu schaffen.“

Südtirols Landtagspräsidentin Rita Mattei schloss sich dem an und strich das durchwegs gute Arbeits- und Diskussionsklima hervor: „Bereits in den Vorbereitungen zur heutigen Sitzung haben wir im Präsidium, aber auch die Abgeordneten in der Interregionalen Landtagskommission sehr gut und intensiv zusammengearbeitet. Dass auch ein kontroverser Antrag, wie jener zum Verkehr, auf die Tagesordnung kommt, ist ein Zeichen, dass man sich auch komplexen Debatten nicht verschließt.“

Der nun geschäftsführende Landtagspräsident des Trentino, Walter Kaswalder, ging in seinem Abschlussstatement noch auf die Bedeutung von einer zukunftsorientierten Jugendpolitik ein: „Es muss unsere Aufgabe sein, gute Rahmenbedingungen für unsere Jugend zu schaffen – damit sie bestmögliche Bedingungen vorfinden, wenn wir ihnen dann den Staffelstab weitergeben.“

Drei Jahrzehnte parlamentarische Zusammenarbeit

Am 21. Mai 1991 lud Südtirols Landtagspräsidentin Rosa Franzelin-Werth erstmals alle Abgeordneten von Tirol, Südtirol, Trentino und auch Vorarlbergs zur gemeinsamen Plenarsitzung in das Kurhaus Meran. Der Grundstein für den späteren Dreier-Landtag war gelegt. Ziel war es damals, das 1949 geschlossene „Accordino“ zu reformieren. Während dieses „kleine Abkommen“ die Annäherung der historisch eng verbundenen Länder noch primär über wirtschaftliche Beziehungen zu erreichen versuchte, strebte man 1991 auch eine verstärkte Kooperation in kulturellen, sozialen und politischen Bereichen an.

Nachdem sich der Vorarlberger Landtag nach der zweiten Sitzung wieder aus dem Gemeinsamen Landtag zurückzog, um seinen Fokus verstärkt auf die Bodenseeregion zu legen, tagte 1996 erstmals der Dreier-Landtag in der heute noch bestehenden Zusammensetzung – das „Ländle“ nimmt Beobachterstatus ein. Im Rahmen eines kleinen Festaktes wurde die nun 30 Jahre währende grenzüberschreitende Zusammenarbeit von Tiroler, Südtiroler sowie Trentiner MandatarInnen gemeinsam mit geladenen Festgästen – darunter auch einige PionierInnen der Gründungstage – gefeiert.

„Diese Männer und Frauen bewiesen vor 30 Jahren Weitblick: In der grenzüberschreitenden und damit grenzüberwindenden Kooperation liegt die Zukunft für ein gemeinsames Wachsen in einem Europa der Regionen“, betonte LTPin Sonja Ledl-Rossmann. „Es ist nun an uns, dieses einzigartige Projekt weiter mit Leben zu füllen, es engagiert weiterzuentwickeln und Herausforderungen gemeinsam zu lösen.“