Erinnerung an damals als Auftrag für das Heute

Landtag gedenkt an 100 Jahre Auszug der Südtiroler Abgeordneten und 75 Jahre Wiederauferstehen der Demokratie

Im Rahmen der heutigen Landtagssitzung gedachte das Hohe Haus an den Auszug der Südtiroler Abgeordneten vor 100 Jahren: Am 16. November 1920 traten im Tiroler Landtag letztmalig MandatarInnen aus Nord-, Süd- und Osttirol zusammen – ein schwarzer Tag in der Geschichte des Landes. Der 25. November 1945 war hingegen ein Tag der Freude: Erstmals nach den dunklen Jahren der Diktatur fanden in Tirol wieder freie Wahlen statt – die Demokratie war wieder auferstanden. Auch diesem historischen Moment widmete sich der heutige Gedenkakt.

In ihren Redebeiträgen betonten Landtagspräsidentin Sonja Ledl-Rossmann und Landeshauptmann Günther Platter die Bedeutung dieser beiden geschichtlichen Marksteine und skizzierten deren Auswirkungen bis hin zu einem in der Europaregion und im Dreier-Landtag wieder vereinten Tirol. Das im Anschluss präsentierte Video zeigte Bilder und Schlüsseldokumente aus der Zeit von 1920 bis 2020, die historische Expertise dafür kam von Christoph Haidacher, Direktor des Tiroler Landesarchivs.

Starke Zuversicht nach enttäuschten Hoffnungen

Die Annexion Süd- und Welschtirols (heutiges Trentino) durch Italien, Siegermacht des Ersten Weltkrieges, war bereits im Vertrag von St. Germain am 10. September 1919 fixiert worden. Dennoch hofften die TirolerInnen, die Teilung des Landes doch noch abwenden zu können – vergeblich, am 10. Oktober 1920 wurde per Gesetz der Anschluss Süd- und Welschtirols an den italienischen Staat vollzogen. Für die Südtiroler Mandatare bedeutete dies Abschied zu nehmen vom Hohen Haus in Innsbruck. Zur Trauersitzung am 16. November 1920 kamen nochmals alle Abgeordneten im Landhaus zusammen, danach blieben die Plätze der Südtiroler leer.

„Diese Sitzung markierte das vorläufige Ende einer jahrhundertealten, gemeinsamen Geschichte. Zugleich wurde aber auch das Ziel für kommende Generationen formuliert: Dass der Zustand dieser Zerreißung eines Tages überwunden werden wird“, führte LTPin Sonja Ledl-Rossmann aus. „Diese Vision ist heute – 100 Jahre später – wohl in weiten Teilen erfüllt: Nord-, Ost- und Südtirol finden sich zwar nicht in einem gemeinsamen Nationalstaat wieder, jedoch in einer eng vernetzten, in allen Lebensbereichen zusammenarbeitenden Europaregion. Und auch die Abgeordneten tagen wieder zusammen – im gemeinsamen Dreier-Landtag.“

Der Sieg der Demokratie

Auch dem Schicksalsjahr 1945 wurde heute gedacht. In den ersten Maitagen gelang es dem Tiroler Widerstand in Verbindung mit dem US-Geheimdienst, Innsbruck weitgehend friedlich an die heranrückenden alliierten Truppen zu übergeben – bei einem Schusswechsel am Landhaus wurde jedoch der Widerstandkämpfer Franz Mair tödlich verwundet. An diese Geschehnisse erinnert eine vorige Woche neu angebrachte Bronzetafel am Alten Landhaus.

„Wir gedenken heute auch der 75-jährigen Befreiung Tirols von den schrecklichen, unmenschlichen Jahren des Zweiten Weltkrieges. Dieses Gedenken markiert zugleich den Aufbruch in ein freies, demokratisches und starkes Tirol“, erinnert LH Platter in seiner Ansprache. Am 25. November 1945 fanden erstmals wieder freie und gleiche Landtagswahlen in Tirol statt. Die Demokratie hatte über die Diktatur gesiegt.

„Wir halten die Erinnerung an entscheidende Wendepunkte unserer Geschichte wach – an die erfreulichen ebenso wie an die traurigen. Dadurch bleiben wir auch sensibel für gefährliche gesellschaftliche Entwicklungen, die unsere Demokratie und den sozialen Frieden bedrohen“, betonte LH Platter.

Zeitreise durch ein Jahrhundert Landesgeschichte

Im Anschluss an die beiden Ansprachen wurde ein Gedenkfilm vorgeführt, der die historischen Ereignisse in die Gegenwart holte. Landesarchivdirektor Christoph Haidacher präsentierte darin zahlreiche Zeitdokumente. Zugleich lag der Fokus auf Entwicklungen der vergangenen Jahre: „Starke Bilder der Zusammenarbeit, des Zusammenwachsens durch Dreier-Landtag und Euregio zeigen uns, dass wir hier auf dem richtigen Weg sind und aus unserer Vergangenheit gelernt haben“, so LTPin Ledl-Rossmann und LH Platter abschließend.