Landesvolksanwältin auch in Pandemie unverzichtbare Anlaufstelle

Jahresbericht 2020 präsentiert

  • Trotz pandemiebedingter Beschränkungen 4.025 Inanspruchnahmen
  • Zunahmen insbesondere bei gesundheitlichen und finanziellen Themen
  • Anregungen an Verwaltung in den Bereichen leistbares Wohnen, bedarfsorientierte Mindestsicherung, 24-Stunden-Betreuung und Angebotsmangel in der Behindertenhilfe

Im Rahmen eines Medientermins fand heute, 1. Juni 2021, die Präsentation des Jahresberichts 2020 der Landesvolksanwältin statt. Gemeinsam mit Landtagspräsidentin Sonja Ledl-Rossmann stellte LVAin Maria Luise Berger dabei die Kernpunkte ihrer Arbeit während des Pandemiejahres vor: 4.025 Personen wandten sich 2020 mit ihren Anliegen an die Beratungs- und Beschwerdestelle des Landtages – um 1.814 weniger, als noch im Vorjahr.

„Dieser Rückgang mag zunächst verwundern, doch müssen wir uns dabei in Erinnerung rufen, dass 2020 in vielen Bereichen das öffentliche Leben quasi stillstand oder massiv eingeschränkt war – und das über Wochen und Monate. Die Landesvolksanwaltschaft ist stets zumindest telefonisch und schriftlich erreichbar geblieben. Und auch persönliche Vorsprachen wurden nach anfänglichen Beschränkungen wieder rasch ermöglicht“, betont LTPin Sonja Ledl-Rossmann. „Unseren gesetzlichen Auftrag der Beratung und Beschwerdeprüfung konnten wir allen Widrigkeiten zum Trotz zu jeder Zeit erfüllen“, so LVAin Maria Luise Berger.

Trend setzt sich fort: Deutlich mehr Beratungen als Beschwerden

Auch 2020 überwogen die Ansuchen um Beratungsleistungen deutlich den vorgebrachten Beschwerden: 80 versus 20 Prozent. Im Vergleich zu 2019 nahmen die Beratungen um einen Prozentpunkt zu, was den Trend der vergangenen Jahre bestätigt. Durch eine frühzeitige Kontaktaufnahme ist es dem Team der Landesvolksanwaltschaft möglich, Probleme durch Beratungen zu lösen, womit aufwändige Beschwerdeprüfungen vermieden werden können. „Der Ruf einer niederschwelligen Anlaufstelle, den wir uns in den vergangenen 30 Jahren erarbeitet haben, hat auch während Corona gehalten. Bürgerinnen und Bürger wissen, dass wir ihnen rasch und unkompliziert mit Rat und Tat zur Seite stehen“, führt Berger aus.

Vermehrt Anfragen zu gesundheitlichen und finanziellen Themen

Die Niederschwelligkeit des Beratungsangebots schlägt sich auch in den Kontaktzahlen nieder: Mit 2.499 Anrufen erfolgte der größte Teil der Inanspruchnahmen telefonisch, 930 wandten sich schriftlich an die Landesvolksanwältin. 596 Personen nutzten auch in Zeiten der Pandemie die Möglichkeit, persönlich mit den LVA-MitarbeiterInnen zu sprechen – im Büro in der Innsbrucker Meraner Straße oder bei einem der 24 Sprechtagstermine in den Bezirken.

Inhaltlich betrafen 25 Prozent der Fälle sozialrechtliche Belange, 15 Prozent Behindertenanliegen und zehn Prozent die Bau- und Raumordnung. Erstmals dezidiert bei der Verteilung der Beratungs- und Beschwerdefälle angeführt wird Covid-19 bei der Materie Klinikangelegenheiten und Krankenanstaltengesetz: Neun Prozent der Inanspruchnahmen fielen in den Pandemiezeiten auf diesen Bereich. Auch bei Fällen, die Gemeinde- und Stadtrecht betrafen, gab es eine Zunahme im Vergleich zum Jahr davor.

Fokus Allgemeine Verwaltung

Das Thema leistbares Wohnen ist bei der Tiroler Landesvolksanwaltschaft ein Dauerbrenner. Gerade einkommensschwache Familien sehen sich durch steigende Mietpreise immer stärker unter Druck und wenden sich an LVAin Berger und ihr Team. Förderungen für die Dorferneuerung oder die Bekämpfung von Leerstand – auch durch die Änderung des Tiroler Statistikgesetzes, um dessen Daten zur Erhebung nutzbar zu machen – könnten hier entgegenwirken, so die Empfehlungen im Bericht.

Auch in punkto Armutsgefährdung von Frauen regt die Landesvolksanwältin Nachschärfungen bzw. weitere Unterstützungsmaßnahmen seitens der Verwaltung an, etwa was die krisensichere Berufswahl oder die Anrechenbarkeit von Kindererziehungszeiten betrifft.

Fokus Tiroler Mindestsicherungsgesetz (TMSG)

Bezüglich Tiroler Ausführungsgesetz zum Sozialhilfe-Grundsatzgesetz des Bundes bekräftigt die Landesvolksanwaltschaft ihren Appell vom vergangenen Bericht, wonach es bei dessen Umsetzung zu keiner Schlechterstellung von Bevölkerungsgruppen – etwa Menschen auf der Flucht, kinderreichen Familien oder behinderten BürgerInnen – kommen dürfe. Vielmehr solle man sich weiterhin an den Zielen des aktuell gültigen Tiroler Mindestsicherungsgesetzes orientieren.

In den Bereich des TMSG würde auch eine verbesserte Förderung der 24-Stunden-Betreuung fallen. Nachdem in Vorarlberg und im Burgenland entsprechende Maßnahmen zur finanziellen Unterstützung von häuslicher Pflege erfolgversprechend verlaufen und der politische Zielsetzung „ambulant vor stationär“ somit entsprechen würden, regt Berger Ähnliches für das Land Tirol an. Zur Stärkung der ambulanten Struktur wäre der Ausbau der flächendeckenden Sozial- und Gesundheitssprengel sehr zielführend.

Fokus Tiroler Teilhabegesetz (TTHG)

Obwohl im Teilhabegesetz seit 2018 vorgesehen, existiert bis dato kein Bedarfs- und Entwicklungsplan für die Behindertenhilfe des Landes, der eine Sicherstellung von bedarfs- und fachgerechten Leistungen ermöglichen sowie qualitative Mindeststandards definieren würde. Somit fehle auch eine zentrale Stelle zur Bedarfserhebung im Land. Die Landesvolksanwältin appelliert hier nochmals eindringlich, einen entsprechenden Plan in Zusammenarbeit mit privaten Facheinrichtungen zu erstellen und bei gegebenem Bedarf den Ausbau des Betreuungsangebots zu forcieren.

Mangelnde Angebote ortet Maria Luise Berger etwa auch bei der Unterstützung von Familien mit behinderten Kindern. Denn erst ab einem Alter von drei Jahren würden finanzielle staatliche Hilfen wirklich greifen, davor wären die Eltern mit der Betreuung oft weitgehend alleingelassen – insbesondere in den Nachtstunden sei diese fehlende Entlastung kräfteraubend. Und um von Autismus-Spektrum-Störungen betroffenen BürgerInnen häufige BetreuerInnenwechsel (wie es bei großen Einrichtungen oft der Fall ist) ersparen zu können, empfiehlt die Landesvolksanwältin, auch Einzelpersonen als Leistungserbringer zuzulassen.

Was die Barrierefreiheit betrifft, so wird angeregt, Zugangshindernisse bei Verkehrsmitteln zu beseitigen und etwa auch Ticketautomaten den Erfordernissen von kleinwüchsigen Personen oder jenen im Rollstuhl anzupassen.

Über die Landesvolksanwaltschaft Tirol

Die Landesvolksanwaltschaft wurde im Jahr 1989 vom Tiroler Landtag als Beratungs- und Beschwerdestelle geschaffen, die den BürgerInnen ergänzend zum bestehenden Rechtsschutzsystem möglichst einfach und unbürokratisch beistehen soll. Als Organ des Tiroler Landtages agiert die Landesvolksanwältin von der Landesregierung unabhängig und weisungsfrei. Konkret kontrolliert sie die Verwaltungstätigkeit der Gemeinden, der Bezirkshauptmannschaften, des Stadtmagistrates Innsbruck und des Amtes der Tiroler Landesregierung.

Die seit 1. April 2016 amtierende Landesvolksanwältin Maria Luise Berger wurde vom Tiroler Landtag auf die Dauer von sechs Jahren gewählt. Seit Juli 2018 kümmert sich der Behindertenanwalt Kristof Widhalm im Team der Landesvolksanwältin um die Behindertenanliegen. Schwerpunkt seiner Arbeit ist vor allem die rechtliche Beratung von Menschen mit körperlicher, psychischer und altersbedingter Behinderung sowie deren Angehörigen.

Ihren Sitz hat die Landesvolksanwältin im Haus der Anwaltschaften in der Innsbrucker Meraner Straße 5, es werden jedoch auch regelmäßig Sprechtage in allen Tiroler Bezirken angeboten.

Unter www.tirol.gv.at/landtag/landesvolksanwaeltin/infomaterial-und-links/ kann der Jahresbericht 2020 online eingesehen werden.