- Citizen-Science trifft Wissenschaft: neue Erkenntnisse zu Tirols Exekutivgeschichte
- „Vom Gauhaus zum Landhaus“: Einladung zur nächsten KuratorInnenführung am 13. Juni 2025 um 16 Uhr
- Alle Veranstaltungen im Rahmen von „Tirol erinnert“ unter tirol.gv.at/erinnern
Die historische „Spurensuche“ rund um Leokadia Justman hat gestern, Donnerstag, im Landhaus ein berührendes Kapitel Tiroler Erinnerungskultur aufgeschlagen. „Die Stimme Leokadias erinnert uns daran, wie notwendig die Erinnerung an das Geschehene ist“, betont dazu Kulturreferent LH Anton Mattle. Im Festsaal rekonstruierten die Ausstellungskuratoren Niko Hofinger und Dominik Markl mit ehemaligen Kriminalbeamten die Lebensgeschichte der jungen Jüdin Leokadia Justman und ihre Flucht in Tirol. Die Veranstaltung – ein Kooperationsprojekt des Landes Tirol mit dem Verein Wissenschaft und Verantwortlichkeit – war inhaltlicher Höhepunkt der Sonderausstellung „Leokadia Justman. Brechen wir aus!“, die derzeit im Landhaus zu sehen ist.
Historische Fahndung – mit verblüffenden Erkenntnissen
Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand der außergewöhnliche Überlebensbericht der polnischen Jüdin Leokadia Justman, die während der NS-Zeit nach Tirol floh. Die beiden Ermittler Peter Hellensteiner (ehemaliger Gruppeninspektor bei der Landespolizeidirektion Tirol) und Anton Walder (ehemaliger Leiter der Fahndung beim Landeskriminalamt Tirol) zeichneten Leokadias Haft- und Fluchtgeschichte nach – mit detektivischem Spürsinn und einem scharfen Blick für Details. Im Rahmen aufwendiger Recherchen und unter Auswertung von Akten aus dem Historischen Archiv der Landespolizeidirektion Tirol konnten sie den autobiografischen Text fundiert belegen.
„Leokadias Erinnerungen sind nicht nur aufwühlend, sondern auch historisch präzise – sie nennt Namen, Daten und Orte mit erstaunlicher Genauigkeit“, erklärten Hofinger und Markl. Gemeinsam mit den beiden Citizen-Scientists Hellensteiner und Walder präsentierten die Kuratoren auf der Bühne ihre Rechercheergebnisse: mehr als 35.000 Karteikarten wurden durchforstet, zahlreiche Personaldossiers analysiert und Mitgefangene identifiziert – darunter auch die elfjährige Edith Singer, die 1944 von Innsbruck nach Auschwitz deportiert wurde. Leokadia machte mit ihrem literarischen Text unter anderem auch das Schicksal von Alice Cazzonelli, einem weiteren bislang unbekannten Opfer des NS-Terrors, bekannt.
Rundgang durchs Landhaus – exklusive Einblicke am 13. Juni 2025
Die „Idee des auffliegenden Adlers“ – dieses Konzept prägte die Baugeschichte des Neuen Landhauses in Innsbruck. In den Jahren 1938 bis 1939 wurde es als Gauhaus für die nationalsozialistischen Parteidienststellen errichtet und ist der größte heute noch bestehende NS-Bau Tirols. Am Donnerstag, den 13. Juni 2025, lädt das Land Tirol zur nächsten KuratorInnenführung mit Hilde Strobl. Die renommierte Architekturhistorikerin erläutert bei einem Rundgang den architektonischen Wandel zum heutigen Landhaus und gibt dabei exklusive Einblicke in die Rahmenausstellung „Vom Gauhaus zum Landhaus. Ein Tiroler NS-Bau und seine Geschichte“.
„Das Landhaus selbst erzählt Geschichte. Mit den Führungen möchten wir aufzeigen, wie sich das ehemalige Gauhaus in einen demokratischen Ort verwandelt hat – ohne die tragische und belastete Geschichte zu verschweigen“, findet LH Mattle klare Worte. Die Teilnahme an der Führung ist kostenlos, eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Treffpunkt ist um 16 Uhr beim Foyer des Landhauses 1.
Factbox: Sonderausstellung „Leokadia Justman. Brechen wir aus!“
Die Ausstellung „Leokadia Justman. Brechen wir aus! Als polnische Jüdin auf der Flucht in Tirol“ ergänzt als Sonderpräsentation die Rahmenausstellung „Vom Gauhaus zum Landhaus. Ein Tiroler NS-Bau und seine Geschichte“ und ist noch bis 26. Oktober 2025 (Montag bis Freitag von 9 bis 17 Uhr) im Landhaus 1 zu sehen. Das Projekt ist eine Kooperation des Landes Tirol mit der Universität Innsbruck und dem Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, der Pädagogischen Hochschule Tirol, dem Archiv für Bau.Kunst.Geschichte, dem Programm ERINNERN:AT des OeAD (Österreichs Agentur für Bildung und Internationalisierung) zum Lehren und Lernen über Nationalsozialismus und Holocaust sowie dem Verein Wissenschaft und Verantwortlichkeit. Alle Veranstaltungen zum Thema „Tirol erinnert“ anlässlich des Gedenkens „80 Jahre Ende Zweiter Weltkrieg“ sind unter tirol.gv.at/erinnern zu finden – dort steht auch der virtuelle 360°-Rundgang der Ausstellung „Vom Gauhaus zum Landhaus“ zur Verfügung.