Naturgefahren sind im Alpenraum allgegenwärtig. Naturgefahrenmanagement ist deshalb auch ein Schwerpunkt der Tiroler Präsidentschaft der EU-Strategie für den Alpenraum (EUSALP). „In 54 der 279 Tiroler Gemeinden gab es im vergangenen Jahr 2017 Katastrophenereignisse von der Mure bis zum großen Felssturz. Und auch heuer ist schon einiges passiert“, weist LHStv Josef Geisler auf die Bedeutung hin.
Im Rahmen der Tiroltage des Europäischen Forum Alpbach tagte die Aktionsgruppe 8 „Risikomanagement und Klimawandelanpassung zum Thema Kooperationen im Naturgefahrenmanagement. „Alpine Gebiete brauche im Naturgefahrenmanagement eine andere Behandlung als das Flachland“, bekräftigt Maria Patek, Leiterin der EUSALP-Aktionsgruppe 8 und Sektionschefin im Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus.
Auch wenn spezifische Klimamodelle für den Alpenraum derzeit noch fehlen, zeichnet sich ab, dass Extremereignisse häufiger werden. „Prävention vor Naturgefahren lohnt sich. Das nächste Ereignis wird kommen“, sagte Prof. Thomas Glade von der Uni Wien in seinem Impulsvortrag. Dass es zum Schutz vor Naturgefahren Maßnahmen auf verschiedensten Ebenen braucht, ist unbestritten. In den alpinen Regionen setzt man dabei immer öfter auf Zusammenarbeit - sei es beim gemeindeübergreifenden Hochwasserschutz im Unterinntal, im Flussraummanagement in Südtirol oder in Bayern.
Paznaun rückt zusammen
Erst kürzlich haben sich die Gemeinden See, Kappl, Ischgl und Galtür im Paznaun zu einem Verband zusammengeschlossen, um gemeinsam 70 Kilometer Lawinenverbauungen und 6,5 Kilometer Steinschlagnetze laufend zu überwachen und einen allfälligen Sanierungsbedarf frühzeitig zu erkennen. Damit soll nicht nur die Nutzungsdauer der Schutzbauten verlängert werden. „Mit diesem Verband rücken die Gemeinden näher zusammen. Das Bewusstsein für die Schutzbauten wird gestärkt“, sagt Gebhard Walter von der Wildbach- und Lawinenverbauung.
Zwischen Vollkaskomentalität und Florianiprinzip
Geht es um die Umsetzung von Schutzkonzepten, stoßen die Verantwortlichen im Naturgefahrenmanagement oft auf Widerstände. „Das liegt nicht an fehlenden oder unzureichenden Konzepten“, weiß Norbert Bäuml von der Bayerischen Verwaltung für Ländliche Entwicklung. Es liegt zum einen daran, dass das Bewusstsein für Naturgefahren und der Solidaritätsgedanke oft wenig ausgeprägt sind, obwohl gleichzeitig eine Vollkaskomentalität herrscht. Weit verbreitet ist auch das Florianiprinzip. „Schutzmaßnahmen ja, aber nicht bei mir“, heißt es dann. Dass Schutzmaßnahmen nicht mitgetragen werden, liegt aber auch an Informationsdefiziten und mangelnder Kommunikation.
Betroffene zu Beteiligten machen
Kooperation und Kommunikation sind also Schlüsselfaktoren im Naturgefahrenmanagement. Das hat auch Südtirol erkannt. Bis zu 30 Prozent des Budgets bei Projekten im Flussraummanagement fließen in Partizipation und Kommunikation. „Und trotzdem haben wir Probleme beim Übergang vom Projekt zur Umsetzung“, räumt Willigis Gallmetzer von der Agentur für Bevölkerungsschutz der Autonomen Provinz Bozen ein. „Wir müssen bewusst machen, dass es nur gemeinsam geht und Betroffene zu Beteiligten machen“, sieht Maria Patek Handlungsbedarf. Den Genossenschaftsgedanken im Naturgefahrenmanagement forcieren möchte LHStv Josef Geisler. Er setzt auf Solidarität durch Mitwirkung. Das Wasserrechtsgesetz bietet dazu durchaus Möglichkeiten. Außerdem gibt es finanzielle Anreize für Kooperationen.
Salzburg setzt auf Genossenschaften
Beim Hochwasserschutzprojekt im salzburgischen Zeller Becken ist es im Rahmen der Wassergenossenschaft und eines übergeordneten Wasserverbands gelungen, das dortige Hochwasserschutzprojekt ohne große Widerstände zu verwirklichen. Der Hochwasserschutz Zeller Becken kostet 29 Millionen Euro und umfasst 250 Hektar Retentionsraum mit einem Fassungsvermögen von 3,6 Millionen Kubikmeter Wasser. Betroffen sind rund 100 GrundeigentümerInnen. „Schlussendlich hat kein einziger Einspruch gegen das Projekt erhoben“, freut sich der Obmann der Wassergenossenschaft Helmut Haslinger. 2020 wird der Hochwasserschutz in Zell am See, Bruck an der Glocknerstraße und Kaprun fertig sein. Wer vom Hochwasserschutz profitiert, leistet einen Beitrag von 20 Euro pro Quadratmeter geschützter Fläche.