- Verfahren beschleunigen: digitale Einreichung, digitale Vollständigkeitsbestätigung und Verfahrenstracking
- Priorität für Betriebsanlagen: im ersten Schritt sollen rund 1.000 Verfahren pro Jahr schneller abgeschlossen und digital abgewickelt werden
- Pilotbetrieb ab 2026: Land startet mit Programmierung; WK, IV und vier konkrete Tiroler Unternehmen arbeiten mit
- LH Mattle: „Nächster Schritt für mehr Freiheit und weniger Bürokratie.“
- WK-Präsidentin Thaler: „Zettelwirtschaft reduzieren, um Tirols Wirtschaft zu stärken.“
- IV-Präsident Kloger: „Ärmelschoner sind abgelegt, die Umsetzung startet.“
Landeshauptmann Anton Mattle, Wirtschaftskammer-Präsidentin Barbara Thaler und der Präsident der Industriellenvereinigung Tirol, Max Kloger, haben heute, Dienstag, eine Vereinbarung zur Einrichtung einer digitalen Verfahrensplattform im Amt der Tiroler Landesregierung abgeschlossen. Im Rahmen des Tirol Konvent wurde festgelegt, das bestehende Portal „Digital Service Tirol“ als digitale Anlaufstelle zu erweitern. Da aktuell die meisten Verfahren in Papierform eingereicht werden müssen, suchen ProjektwerberInnen die Behörde mit unzähligen Ordnern und gedruckten Unterlagen persönlich auf. Das wird sich ändern: In Zukunft sollen hoheitliche Administrativverfahren (AVG-Verfahren), wie zum Beispiel Betriebsanlagengenehmigungsverfahren, durch die Digitalisierung schneller abgeschlossen und vereinfacht werden. Mit einer digitalen Verfahrensplattform sollen A wie Antragstellung bis Z wie Zustellung des Bescheides vollständig digital ermöglicht werden.
„Unser Ziel sind einfache, schnelle und transparente Verfahren. Das Land Tirol soll als Servicestelle und Dienstleistungsbetrieb ein Möglichmacher für Tirols Wirtschaft sein. Vom Tirol Konvent profitieren Bürger und Unternehmen als unsere Kunden aber auch die Verwaltung selbst, weil Mitarbeiter entlastet und Ressourcen eingespart werden. Wir nützen alle Möglichkeiten der Digitalisierung, wollen aber auch immer den persönlichen Kontakt als analoge Alternative aufrechterhalten. Gerade in der Wirtschaft sind aber einfache, rasche und digitale Verfahren eine Frage der Wettbewerbsfähigkeit“, ist LH Mattle überzeugt.
Die WK Tirol begrüßt die Tiroler Initiative und fordert einen gemeinsamen digitalen Weg mit dem Bund. „Im Tirol Konvent wurden wesentliche Forderungen der Wirtschaftskammer wie die Steigerung der Effizienz, eine explizite Kunden- und Serviceorientierung, die Digitalisierung von Behördenverfahren sowie die Einführung eines Qualitätsmanagements übernommen. Natürlich bringen wir uns auch bei der Umsetzung ein. Wichtig ist, dass bei digitalisierten Verfahren technische Schnittstellen zwischen Bund und Ländern zur Verfügung stehen. Zudem sollen die Behörden, in diesem Fall die Bezirkshauptmannschaften, in jedem Bezirk dieselbe Arbeitsweise anwenden. Denn die Unternehmen wünschen sich Transparenz und Nachvollziehbarkeit. Im Rahmen der Verfahrensplattform soll künftig jederzeit der aktuelle Verfahrensstatus abgefragt werden können und die zuständigen Personen und Stellen klar erkennbar sein. Durch die digitalisierten Verfahren kann die Zeit bis zum Abschluss eines Verfahrens deutlich verkürzt werden. Was es aber unbedingt begleitend braucht, sind verbindliche Fristen. Im ersten Schritt bei der Vollständigkeitsprüfung – binnen einer Woche muss Klarheit über fehlende Unterlagen herrschen. Für uns liegt die Priorität insbesondere bei den Betriebsanlagengenehmigungen“, gibt Präsidentin Thaler Einblick in die Bedürfnisse der Tiroler Betriebe.
Die Industriellenvereinigung strebt insbesondere das „Once-Only“-Prinzip an – Betriebe sollen der Behörde bestimmte Standardinformationen also nur mehr einmal mitteilen müssen. „Im Rahmen des Tirol Konvent wurden die notwendigen Reformen in der Verwaltung in Gang gesetzt. Wir als Tiroler Industriellenvereinigung haben uns gemeinsam mit unseren Mitgliedern intensiv eingebracht und sind mit unserem Know-how nun auch in der Umsetzung involviert. Digitale Verfahren auf einer einheitlichen Plattform bringen enorme Vereinfachungen für die Wirtschaft. Mit der digitalen Einreichung schafft man für die Wirtschaft die notwendige Flexibilität. Durch die Digitalisierung des Prozesses können Verfahren schneller abgewickelt werden. Die Industrie wünscht bessere Planbarkeit durch maximale Verfahrensdauern für die jeweiligen Verfahrenstypen. Zudem soll die Kommunikation zwischen Antragsteller und Behörde zentral innerhalb der Plattform stattfinden, um die notwendigen Informationen zu bündeln. Wir fordern auch bessere Informationen vor der Antragstellung, etwa durch Checklisten zu den notwendigen Unterlagen“, spricht Präsident Kloger für die Industriebetriebe.
Verfahren schneller zum Abschluss bringen
Betriebsanlagengenehmigungsverfahren sind mitunter die umfangreichsten und wichtigsten Kontaktpunkte zwischen Betrieben und dem Land. Unter Betriebsanlagen fallen Gebäude und Flächen, wie Werkstätten oder Hotels, in denen eine gewerbliche Tätigkeit ausgeübt wird. Anhand des Betriebsanlagenrechtes will man das Potential der Digitalisierung für die Verfahrensbeschleunigung aufzeigen und nützen. Im Jahr 2024 sind im Land Tirol in diesem Bereich 1.091 Anträge eingegangen, davon wurden 1.063 abgeschlossen. Ein Viertel davon waren Erstgenehmigungen, Dreiviertel haben Änderungsverfahren, wie beispielsweise für Betriebserweiterungen oder Betriebsübergaben, betroffen. Bis ein solches Verfahren abgeschlossen wird, dauert es ab vollständigem Vorliegen der Einreichunterlagen in Tirol durchschnittlich 54 Tage. Hier liegt Tirol weit unter dem Österreichschnitt: In Österreich dauern bei Betriebsanlagenverfahren zwischen 72 (Änderungsgenehmigung) und 77 Tagen (Neugenehmigung).
„Tirols Verwaltung arbeitet gut, wir wollen aber noch besser werden und dort ansetzen, wo Beschleunigungspotential liegt“, gibt LH Mattle die Zielrichtung vor. Mehr als ein Drittel der Betriebsanlagenverfahren in Tirol wurden 2024 erst verspätetet begonnen. Der Hauptgrund für Verzögerungen sind mangelhafte Projektunterlagen. Ab dem Zeitpunkt der vollständig vorliegenden Unterlagen können fast 85 Prozent der Verfahren innerhalb von drei Monaten erledigt werden. Mit der Einführung der Verfahrensplattform soll deshalb auch ein standardisierter Prozess für die flächendeckende Vollständigkeitsbestätigung nach digitaler Projekteinreichung umgesetzt werden. Zu Verzögerungen in einem Verfahren führt auch die Wartezeit auf Gutachten, etwa bei Gewerbetechnik, Brandschutz oder Arbeitsinspektorat. Deshalb will man künftig auch Sachverständige in die digitale Verfahrensabwicklung miteinbeziehen, um eine Zeitersparnis für alle beteiligten Stellen zustande zu bringen. Insgesamt soll durch die Digitalisierung der Prozesse die Verfahrensdauern verkürzt werden, was anhand von Benchmarks laufend evaluiert werden soll. Das Land Tirol achtet bei all den Beschleunigungsbestrebungen auch auf die Qualität der Verfahren. Im vergangenen Jahr gab es im Bereich des Betriebsanlagenrechtes nur 22 Beschwerdefälle vor dem Landesverwaltungsgericht, in nur vier Fällen wurde der Beschwerde Folge gegeben und der Bescheid aufgehoben. „Es braucht in einem Verfahren immer größtmögliche Rechtssicherheit und schnellstmögliche Abwicklung. Beides ermöglichen wir mit dem Tirol Konvent“, so LH Mattle.
Programmierung startet, Praktiker arbeiten mit
Land Tirol, Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung haben konkret vereinbart, die vollständige Digitalisierung des Betriebsanlagengenehmigungsverfahrens prioritär umzusetzen. Konkrete Tiroler Betriebe wurden nominiert, um als betroffene Stakeholder bei der Konzeptentwicklung und als Pilotunternehmen bei der Umsetzung der Verfahrensplattform mitzuwirken. Über dem Sommer werden diese Unternehmen und die verfahrensführenden Stellen das Konzept der Verfahrensplattform noch vor Beginn der technischen Umsetzung auf Tauglichkeit und Praktikabilität testen (Proof of Concept). Mit Herbst 2025 ergeht der erste Auftrag zur Programmierung, die in mehreren technischen Ausbaustufen erfolgt. Notwendig sind unter anderem die Anbindung an das bestehende Portal „Digital Service Tirol“, die Schaffung einer digitalen Einreichmöglichkeit, die Möglichkeit des Abrufens zugestellter und übermittelter Dokumente sowie die Umsetzung des Verfahrenstrackings, um den aktuellen Verfahrensstatus zu erfragen. Mit Jahresanfang 2026 soll der Pilotbetrieb starten und nach erfolgreicher Einführung in den Echtbetrieb übergehen.
„Das ist ein komplett neuer Ansatz: noch bevor wir die Programmierung starten, lassen wir die Prozesse für die Verfahrensplattform jene testen, die in der Praxis damit arbeiten werden. Am Ende soll ein technisches Produkt entstehen, das den Bedürfnissen der Wirtschaft gerecht wird und für die Verwaltung möglichst einfach in der Handhabung ist“, erklärt LH Mattle. Nach der erfolgreichen Digitalisierung im Bereich des Betriebsanlagenrechts sollen weitere Verfahren folgen. Bis zum Ende der Periode sollen alle hoheitlichen Verfahren für Unternehmen digitalisiert sein.
Einfache und einheitliche Anlaufstelle
Die Verfahrensplattform wird im Rahmen von Funktionserweiterungen bestehender Systeme - dem Elektronischen Akt ELAK (intern) und „Digital Service Tirol“ (extern) - umgesetzt. AntragstellerInnen melden sich beim „Digital Service Tirol“ mittels ID Austria / USP-Zugang an. Dort werden bereits Online-Formulare, eine digitale Bescheidmappe, eine digitale Dokumentensammlung oder der digitale Familienpass angeboten. Auf der Plattform wird eine neue „Toolbox“ für Verfahren geschaffen. Dort können künftig die Projektunterlagen hochgeladen werden. Im Amt der Tiroler Landesregierung und den Bezirkshauptmannschaften wird dann automatisch ein Akt im ELAK angelegt, dort bearbeitet die Verwaltung das Verfahren. Die Kommunikation zwischen AntragstellerInnen, Verfahrensparteien, Behörde und Stakeholdern, wie Sachverständige, wird dann über die digitale Verfahrensplattform abgewickelt. Der Antragssteller kann jederzeit den Stand seines Verfahrens einsehen. Das Land Tirol treibt die Zusammenführung von allen digitalen Services voran, um NutzerInnen im Sinne des „Once-Only“-Prinzips über eine zentrale Plattform den Zugang zu allen Anwendungen des Landes zu ermöglichen. Auch der Ausbau der E-Zustellung wird vorangetrieben, um bei Bedarf und Nachfrage eine effiziente Abwicklung von Zustellungen sicherzustellen.
Digitalisierung hat kein Enddatum
Die Verfahrensplattform ist als mehrjähriges Projekt vorgesehen und soll laufend ausgebaut werden. Aufbauend auf den Bedürfnissen der NutzerInnen sollen laufend neue Funktionen hinzukommen, zudem will man auf neue Entwicklungen rasch reagieren. Gestartet wird nun mit der digitalen Einreichmöglichkeit, der digitalen Vollständigkeitsbestätigung der Unterlagen und dem Verfahrenstracking. Im Laufe der Zeit sollen Sachverständige digital eingebunden, ein Benachrichtigungssystem geschaffen und die Kommunikation mit allen Parteien digitalisiert werden. Zudem soll Künstliche Intelligenz genützt werden, um Prozessschritte zu automatisieren. „Eine Vision wäre, dass beispielsweise die KI die Unterlagen auf Vollständigkeit überprüft und Antragsteller unmittelbar Rückmeldung erhalten. Hierfür braucht es aber noch die notwendige Zeit für die technischen und rechtlichen Schritte“, so LH Mattle.
Abseits von der Verfahrensplattform, die nur Verfahren des Landes umfasst, will man gemeinsam mit den Gemeinden die Digitalisierung im Bauverfahren vorantreiben. Cirka 170 Tiroler Gemeinden bieten aktuell die digitale Baueinreichung an. Das Land Tirol hat hierfür bereits im vergangenen Jahr die rechtliche Grundlage geschaffen. Derzeit laufen Gespräche zwischen Land Tirol, dem Tiroler Gemeindeverband, der Wirtschaftskammer Tirol und den Softwareanbietern, damit die digitale Baueinreichung in allen Tiroler Gemeinden möglich wird. Mittelfristig will man nicht nur die Baueinreichung, sondern das gesamte Bauverfahren digitalisieren.
Wöchentliche Entbürokratisierung in Tirol
Wöchentlich berichtet Tirols Landeshauptmann von vereinfachten Regelungen und optimierten Prozessen: Vollständigkeitsbestätigung, Digitalisierung und Reduktion von Berichten, Digitalisierung von Altbescheiden, Vereinfachungen bei Kleinviehweiden und neue Schwellenwerteverordnung. Vergangene Woche hat LH Mattle zudem die Einführung von Projektvorbesprechungen bei Verfahren angekündigt. Damit baut das Land Tirol die Möglichkeiten für Vorabstimmungen und die Möglichkeit einer guten Projektvorbereitung weiter aus. Bezirkshauptmannschaften und Fachabteilungen stehen Projektwerbern nun bereits vor Verfahrensbeginn für Auskünfte, Informationen und Beratungen zur Verfügung. Zudem wird die Möglichkeit geschaffen, Sachverständige (z.B. im Brandschutz) in die Vorbesprechungen einzubinden. Damit erwartet sich das Land, mögliche Hürden in einem Verfahren noch vor dem Start festzumachen, sich frühzeitig über notwendige Schritte im Verfahren abzustimmen und noch vor offizieller Einreichung bestmöglich zu reagieren.
Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung haben in der Vergangenheit immer wieder auf die Notwendigkeit von Entbürokratisierung hingewiesen und sehen die Entwicklungen in Tirol positiv. Nach den hohen Arbeitskosten ist die Bürokratie die zweitgrößte Wachstumsbremse für Tirols Wirtschaft – das zeigt eine Top-Tirol-Umfrage der Wirtschaftskammer Tirol. „Das bedeutet, dass Tiroler Unternehmen zunehmend mit administrativen Aufgaben belastet sind, anstatt sich mit der Weiterentwicklung ihrer Produkte und Dienstleistungen beschäftigen zu können. Umso wichtiger sind die regelmäßigen und laufenden Maßnahmen des Landes. Dem muss auch eine Entbürokratisierungsoffensive auf Bundes- und europäischer Ebene folgen“, fasst Präsidentin Thaler zusammen.
„Tirol setzt bei den richtigen Hebeln an. Die Betriebe in Österreich geben bis zu 15 Milliarden Euro jährlich für die Erfüllung bürokratischer Vorgaben aus. Das ist nicht nur ineffizient, sondern gefährlich – weil es Handlungsspielräume für Zukunftsinvestitionen vernichtet. Die IV Tirol fordert ein Ende der Überregulierung durch sogenanntes Gold Plating bei EU-Vorgaben und die rasche Umsetzung der im Bundesregierungsprogramm verankerten Deregulierungsoffensive“, stellt Präsident Kloger klar.