Ein Jahr „Housing First – Wohnen zuerst“ in Tirol

Pilotprojekt stellte fünf wohnungslosen Frauen eigene Wohnungen zur Verfügung und bietet psychosoziale Begleitung an

  • Laufzeit noch bis Ende 2023 – Ziel ist langfristig gesichertes Wohnen

Vor rund einem Jahr schuf der Verein „DOWAS für Frauen“ das erste „Housing First“-Angebot in Tirol. „Housing First“ ist ein innovativer Ansatz zur Abschaffung der Wohnungs- und Obdachlosigkeit und bedeutet: erst die Wohnung, dann alles Weitere. So wurde im Rahmen des Pilotprojekts fünf Frauen im Raum Innsbruck eine eigene Wohnung zur Verfügung gestellt. Das Arbeiten an den Problemen und Ursachen für die Wohnungs- bzw. Obdachlosigkeit, wie Gewalterfahrungen oder psychische Erkrankungen, folgt in einem darauffolgenden Schritt. Finanziert wird das Tiroler Pilotprojekt über das Gleichstellungspaket 2020-2023 des Landes Tirol. Eine wissenschaftliche Begleitung erfolgt in Kooperation mit dem Management Center Innsbruck (MCI). „Housing First“ läuft aktuell noch bis Ende des Jahres 2023. Ziel ist es, dass die Bewohnerinnen im Rahmen des Projektes die Spirale der wiederkehrenden Wohnungs- bzw. Obdachlosigkeit durchbrechen.

„Die Gründe, warum Frauen wohnungslos werden, sind vielfältig. Eine häufige Ursache ist jedoch häusliche Gewalt. Aufgrund der ungleichen Verteilung von Haus- und Fürsorgearbeiten verfügen viele Frauen über kein oder ein zu geringes eigenes Einkommen. Endet eine Partnerschaft, können sie damit auch ihre Wohnung und Existenz verlieren. In diesem Kontext sind frauenspezifische Angebote und eine speziell an die Bedürfnisse der Frauen angepasste Betreuung essentiell. Mit ‚Housing First‘ wird erstmals in Tirol ein auf Frauen zugeschnittenes, neues Unterstützungskonzept umgesetzt, das Pilot- und Vorbildcharakter hat: Es bietet leistbaren, inklusiven und dauerhaften Wohnraum samt psychosozialer Begleitung“, betont Sozial- und Frauenlandesrätin Eva Pawlata.

Wohnen als erste Priorität

Der „Housing First“-Ansatz geht davon aus, dass alle Personen ein Recht auf eine Wohnung haben und diese mit individuell angepasster Unterstützung auch halten können. So konnten die Klientinnen in die Wohnungen ziehen, ohne dass sie sich vorher bewähren mussten. „Der Wert der eigenen Haustür und der eigenen Wohnquadratmeter ist so hoch, dass die Frauen viel ‚investieren‘, um diese Wohnung zu halten. Die Türe hinter sich schließen zu können und sich nicht ununterbrochen mit existenziellen Themen beschäftigen zu müssen, schafft Raum für Weiterentwicklung in anderen Bereichen. In Verbindung mit individueller sozialarbeiterischer und psychosozialer Unterstützung kann dem Ziel des langfristigen Wohnungserhalts Sorge getragen werden“, erklärt Julia Schratz, Geschäftsführerin von „DOWAS für Frauen“. Die Unterstützung der Mitarbeiterinnen von „Housing First“ kann, je nach Bedarf, auch langfristig in Anspruch genommen werden.

Neben dem dauerhaften Wohnraum zeichnet sich der „Housing First“-Ansatz durch seine konsequente Ausrichtung auf eine Zusammenarbeit ohne Druck und Zwang aus. Dadurch ist eine „echte“ Selbstbestimmung der Klientinnen möglich.

Endlich zuhause fühlen

Die Frauen, denen eine der fünf Wohnungen zur Verfügung gestellt wurde, leben seit Anfang des Vorjahres 2022 darin und sind mehr als zufrieden. „Ich kann nun komplett ankommen, mich komplett zu Hause fühlen, weil ich weiß, dass ich in der Wohnung bleiben kann“, berichtet eine Bewohnerin. „Warum ich so motiviert bin, alle Termine schnell zu erledigen? Weil ich die Wohnung behalten möchte“, sagt eine andere. „‚Housing First‘ bedeutet für mich, wieder Mut und Zuversicht zu haben“, so eine weitere der Frauen.

„Frauen leben oft verdeckt wohnungslos, kommen ‚hier und dort‘ unter und sind weniger sichtbar als andere wohnungslose und obdachlose Personen“, so die Erfahrungen von Susanne Schwärzler, Sozialarbeiterin bei „Housing First“. Wohnungslose Frauen, die sich bei „DOWAS für Frauen“ melden, befinden sich meist in prekären Situationen: Multiple Problemlagen, die Gewalterfahrungen und psychische Erkrankungen einschließen, treffen aufeinander.

DOWAS für Frauen

Der Verein „DOWAS für Frauen“ ist eine Organisation mit Spezialisierung auf Wohnungslosigkeit und Existenzsicherung von Frauen und ihren Kindern in Tirol. Jährlich werden über 1.000 Frauen von den Mitarbeiterinnen beraten und begleitet. Die Angebote umfassen eine Beratungsstelle, betreute Wohnmöglichkeiten, eine sozialpädagogische Wohngemeinschaft, den Mütter-Kinder-Bereich und die „Housing First“-Wohnplätze. Mehr Informationen finden sich unter www.dowas-fuer-frauen.at.