- Politik, Verwaltung und externe Einrichtungen verständigen sich auf gemeinsame Leitlinien
- Geschlechtergerechtigkeit als Grundvoraussetzung für eine gewaltfreie Gesellschaft
- 1.500 KlientInnen im Gewaltschutzzentrum Tirol 2025, 90 Prozent der GefährderInnen sind Männer
- 475 betreute Personen seit Start des Kompetenzzentrums – Gewaltambulanz 2024
- Sensibilisierungskampagne des Landes rund um Internationales Hilfezeichen ruft zu Zivilcourage auf
Morgen, Dienstag, starten wieder die „16 Tage gegen Gewalt an Frauen“. Die weltweite Aktion setzt jedes Jahr vom 25. November bis zum 10. Dezember ein Zeichen gegen Gewalt und für den Schutz und die Rechte von Frauen und Mädchen. Zum Auftakt des Aktionszeitraums präsentierte Frauenlandesrätin Eva Pawlata gemeinsam mit Thomas Beck, Psychologische Leitung des Kompetenzzentrums – Gewaltambulanz der Tirol Kliniken, und Andrea Laske, Geschäftsführerin des Gewaltschutzzentrums Tirol, im Rahmen einer Pressekonferenz neue Leitlinien für die Gewaltpräventionsarbeit. Mit dem Bekenntnis „Gemeinsam gegen Gewalt“ haben sich erstmals alle Tiroler AkteurInnen und Institutionen im Bereich Gewaltprävention und Gewaltschutz auf eine gemeinsame Basis und Zielrichtung verständigt. Zentrale Prinzipien der neuen Leitlinien: Gewaltfreiheit ist eine gemeinsame Verantwortung und geht nicht ohne Geschlechtergerechtigkeit. Das Land Tirol lanciert für den Aktionszeitraum der „16 Tage gegen Gewalt an Frauen“ eine Sensibilisierungskampagne rund um das Internationale Hilfezeichen – bestehend aus orangen Jutetaschen und einem Videoclip.
„Gewaltprävention ist eine Querschnittsaufgabe und braucht – wie es in der Deklaration heißt – ein Wir. Dieses Wir machen wir nun sicht- und greifbar. Mit den neuen Leitlinien setzen wir einen Maßstab in der Gewaltpräventionsarbeit: Sie geben uns einen gemeinsamen Rahmen, stärken die interdisziplinäre Zusammenarbeit und zeigen, dass Tirol Gewalt nicht als individuelles, sondern als gesellschaftliches Problem begreift“, betont LRin Pawlata.
Expertise aus allen Bereichen vereint
Erarbeitet wurde die Deklaration von der ExpertInnengruppe Gewaltprävention, die unter LRin Pawlata im Vorjahr ins Leben gerufen wurde und sich durch ihre fachübergreifende Zusammensetzung auszeichnet. Die Mitglieder vertreten Opferschutz und TäterInnenarbeit, Polizei und Justiz, Krankenanstalten sowie die Bereiche Frauen, Männer, Kinder und Jugendliche, ältere und alte Menschen, Menschen mit Behinderungen und Menschen mit Migrationshintergrund.
„Einer der wichtigsten Schritte in der Prävention ist eine klare Haltung innerhalb der Gesellschaft, die sich klar gegen jede Form von Gewalt richtet. Es muss auch bewusster werden, dass jede Form von Gewalt weitreichende Konsequenzen für die Betroffenen hat“, betont Beck. „Mit den Leitlinien bekennen wir uns dazu, Gewalt in all ihren Facetten vorzubeugen, Betroffene zu unterstützen und mit gewaltausübenden Personen zu arbeiten. Gleichzeitig wollen wir Abhängigkeitsverhältnisse sichtbar machen und abbauen. Denn Gewalt steht immer auch im Zusammenhang mit Machtungleichgewichten“, führt Laske aus.
Die Deklaration liegt in schwerer, leichter und englischer Sprache vor und kann unter www.gewaltfrei-tirol.at eingesehen werden.
Farbe zeigen gegen Gewalt
Die Leitlinien der ExpertInnengruppe Gewaltprävention betonen auch die Bedeutung von Zivilcourage. Mit einer Sensibilisierungskampagne, die das Internationale Hilfezeichen (Hand heben – Daumen einklappen – Finger schließen) als zentrales Motiv aufgreift, ruft das Land Tirol dazu auf, hinzusehen und zu handeln. Im Rahmen der Kampagne werden rund 1.400 orange Jutebeutel – versehen mit einer Informationskarte – tirolweit an Frauenschutz- und Frauenberatungseinrichtungen verteilt, die diese wiederum weitergeben können. Zusätzlich wird im Aktionszeitraum ein Videoclip auf Social Media ausgespielt.
Praxiszahlen zeigen Handlungsbedarf
Wie notwendig konsequente Gewaltpräventions- und Gewaltschutzarbeit ist, zeigen aktuelle Zahlen aus der Praxis, die Laske und Beck im Rahmen der Pressekonferenz präsentierten.
Das Gewaltschutzzentrum Tirol berät Menschen, die von familiärer Gewalt oder Stalking betroffen sind, rund um die Themen Schutz und Sicherheit und bietet juristische sowie psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren an. In diesem Jahr wurden bislang rund 1.500 KlientInnen verzeichnet – davon 1.240 Frauen. Der Großteil der Fälle bezieht sich auf Gewalt in der Partnerschaft (57 Prozent) oder in der Familie (18 Prozent); in zehn Prozent der Fälle handelt es sich um Stalking. In rund 90 Prozent der Fälle ist der/die GefährderIn männlich.
Das Kompetenzzentrum – Gewaltambulanz am Landeskrankenhaus Innsbruck bietet Betroffenen medizinische Untersuchungen – einschließlich Fotodokumentation – sowie psychologische Krisenbegleitung. Seit dem Start im März 2024 wurden insgesamt 475 Personen betreut; im Jahr 2025 bislang 217 Frauen und 67 Männer. Rund die Hälfte der Betroffenen sind Kinder. In sechs von zehn Fällen ist der/die TäterIn der/die aktuelle oder ehemalige PartnerIn. In rund einem Viertel der Fälle, in denen Erwachsene betroffen sind, erleben Kinder die Gewalt als ZeugInnen mit.
Ein Überblick über das gesamte Hilfs- und Unterstützungsangebot in Tirol findet sich unter www.gewaltfrei-tirol.at – mit Notrufnummern, Beratungsstellen, rechtlichen Informationen sowie praktischen Tipps zum Helfen.




