Digitales Verkehrsmanagementsystem am Brennerkorridor

Erklärung auf der Festung Kufstein unterzeichnet

  • Aufbruch entlang des Brennerkorridors: erstes Treffen von LH Anton Mattle, LH Arno Kompatscher und Ministerpräsident Markus Söder auf der Festung Kufstein
  • Wien, Rom und Berlin gefordert: Positionspapier von Tirol, Südtirol und Bayern als Handlungsauftrag für Nationalstaaten
  • Intelligentes, digitales Verkehrsmanagementsystem soll Lkw-Verkehr entzerren, besser steuern und Staus minimieren
  • Verkehrs- und Versorgungssicherheit für Bevölkerung und faire Wettbewerbsfähigkeit auf dem Brennerkorridor im Fokus
  • Langfristiges Ziel bleibt Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf Schiene

Zu einem bedeutenden Treffen ist es heute, Mittwoch, 12. April 2023, in der Festung Kufstein gekommen: Tirols LH Anton Mattle, Südtirols LH Arno Kompatscher und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder unterzeichneten eine gemeinsame Erklärung für ein digitales Verkehrsmanagementsystem am Brennerkorridor. „Wir freuen uns auf eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Tirol, Südtirol und Bayern. Mit dem intelligenten, digitalen Verkehrsmanagement haben wir einen gemeinsamen Standpunkt – nun sind die Nationalstaaten gefordert“, sind sich die Regierungschefs einig.

Weniger Staus, mehr Verkehrs- und Versorgungssicherheit für VerkehrsteilnehmerInnen und die Bevölkerung, weniger Zeitverzögerungen, bessere Planbarkeit im Sinne des freien Warenverkehrs und aufgrund von geringerem „Stop-and-Go“-Verkehr auch weniger Lärm-, Luftschadstoff- und Klimagasemissionen – das alles soll ein intelligentes, digitales Verkehrsmanagementsystem bringen. Geplant ist, dass eine bestimmte Zahl an Lkw zu bereits vorab gebuchten Zeitfenstern (Slots) den Brennerkorridor passieren dürfen. Die Landeshauptleute aus Tirol und Südtirol und der Ministerpräsident von Bayern haben sich auf eine 14-Punkte starke Erklärung zur Realisierung eines solchen Verkehrsmanagementsystems geeinigt. Diese konkreten Vorschläge sollen nun an die Nationalstaaten Österreich, Italien und Deutschland herangetragen werden. Wien, Rom und Berlin entscheiden über die Umsetzung auf Basis eines dafür notwendigen Staatsvertrags. Neben dem mittelfristig umsetzbaren Verkehrsmanagementsystem wird gemeinsam auch an kurzfristigen Maßnahmen wie einem verbesserten Datenaustausch gearbeitet.

Neue Art der Zusammenarbeit

„Das hohe Verkehrsaufkommen ist für die Menschen in unserem Land eine enorme Belastung. Deshalb ist der heutige Tag ein Meilenstein im Umgang mit dem Transitverkehr für Tirol, Südtirol und Bayern: Wir schlagen neue Töne an und arbeiten konstruktiv und gemeinsam an einer Lösung der Transitproblematik. Für uns hat der Schutz der Menschen entlang des gesamten Brennerkorridors oberste Priorität. Mit dem heutigen Vorstoß erhöhen wir den Druck gegenüber Wien, Berlin und Rom. Wir wollen eine Lenkungsmaßnahme, die die Kapazitätsgrenzen des Brennerkorridors berücksichtigt. Mehr Sicherheit für alle, mehr Gesundheitsschutz für die Bevölkerung und bessere Planbarkeit für den Gütertransport – all dem, wird dieses System gerecht“, sagt LH Mattle, der seine Amtskollegen aus Südtirol und Bayern nach Kufstein eingeladen hat. „Um die Verkehrswende zu schaffen, bleibt die Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene unser oberstes Ziel“, sieht LH Mattle eine neue Art der Zusammenarbeit.

Die heutige Erklärung zur Einführung des Verkehrsmanagement-Systems mit buchbaren Slots fußt auf einer im Auftrag von Südtirol durchgeführten Machbarkeitsstudie. „Durch die Prüfung der rechtlichen und technischen Machbarkeit eines digitalen grenzüberschreitenden Verkehrsmanagements wollten wir unseren Beitrag leisten, um einen Lösungsweg aufzuzeigen, welcher die Situation für die Bevölkerung, die Umwelt und auch für die Wirtschaftstreibenden verbessern kann. Voraussetzung dafür ist, dass die Entscheidungsträger am Brennerkorridor an den Verhandlungstisch zurückkehren. Dies ist der dringendste Appell, den wir heute aussenden möchten. Auch zwischen Bayern, Tirol und Südtirol waren wir nicht stets einer Meinung, aber in vertrauensvoller Zusammenarbeit konnten wir uns auf eine gemeinsame Vorgehensweise einigen. Deshalb hoffen wir nun auf die Bereitschaft der staatlichen Ministerien, Verhandlungen über eine gemeinsame grenzüberschreitende Korridorpolitik zu führen. Der Brenner Basistunnel zeigt eindrücklich auf, welche Errungenschaften möglich sind, wenn Mitgliedsstaaten und die Europäische Union an einem Strang ziehen“, unterstrich LH Kompatscher.

Bayerns Ministerpräsident Söder betonte: „Wir machen ein smartes Angebot zur Besserung der Verkehrssituation auf der Brenner-Transitachse. Wir wollen dauerhafte Entlastung für die Anwohner und gleichzeitig den Erhalt des Güteraustauschs. Der Brenner steht sonst vor dem Kollaps. Unser Vorschlag: Ein digitales Verkehrsmanagement mit intelligenter Verkehrssteuerung. Durch kostenfreie Zeitfenster-Slots könnte der Lkw-Verkehr länderübergreifend besser fließen und die Autobahn nicht überlasten. Das ist eine moderne Alternative zu Blockabfertigung und Durchfahrtsverboten. Heute ist Startschuss zur Entwicklung dieses Systems. Nach langer Funkstille senden unsere Länder wieder gemeinsam. Jetzt müssen die Bundesregierungen handeln. Die zentrale Alpen-Verbindungsachse ist eine gesamteuropäische Aufgabe.“

Breiter Prozess für technische Umsetzung des Verkehrsmanagementsystems

In weiterer Folge wird ein Konzept zur technischen Umsetzung des Systems von ExpertInnen erstellt. Dabei werden Stakeholder in allen drei Ländern sowie Frächter und Wirtschaftstreibende miteinbezogen. Anschließend geht es um die Ausarbeitung eines trilateralen Staatsvertrags zwischen Österreich, Italien und Deutschland, dem alle Staaten zustimmen müssen.

„Unsere Notmaßnahmen, wie das Nachtfahrverbot und die Blockabfertigung, entlasten Straßen, Luft und Menschen in Tirol. Die Verkehrsbeschränkungen helfen, die Belastung für Bevölkerung und Umwelt zu verringern. Das wurde im unterzeichneten Positionspapier heute ebenso festgehalten.“ Aber sie stellen unsere Nachbarn auch vor große Herausforderungen. Für Tirol ist klar, dass gemeinsame Lösungen jedenfalls wesentlich effizienter und nachhaltiger sind“, ist LH Mattle überzeugt davon, „dass durch das länderübergreifende Verkehrsmanagementsystem die Menschen entlang des gesamten Brennerkorridors entlastet werden“. „Es braucht neue Maßnahmen mit dem Ziel, die Bevölkerung zu schützen und Verkehrssicherheit zu gewährleisten. Tirol ist offen für europäische, nachhaltige und gemeinsame Lösungen“, sagt LH Mattle.

Verlagerung auf die Schiene bleibt oberstes Ziel

Dass langfristig kein Weg an der Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene vorbeiführt, darin sind sich die Regierungschefs einig. Demnach wurden auch die Zulaufstrecken zum Brenner Basistunnel, die Korridormaut und die Harmonisierung des Schienenverkehrs diskutiert. Das Pilotprojekt „Brenner ohne Grenzen“, welches von der Tiroler EU-Abgeordneten Barbara Thaler initiiert und von ihren Kollegen MEP Markus Ferber aus Bayern und MEP Herbert Dorfmann aus Südtirol unterstützt wurde, ist bereits ein klarer Auftrag für einen einheitlichen europäischen Eisenbahnraum: Der Schienenverkehr muss so einfach wie der Straßenverkehr funktionieren. Dafür braucht es den Abbau nationaler Regeln und Betriebsvorschriften. Dazu zählen für die drei Regierungschefs beispielsweise: keine Bremstests beim Grenzübertritt oder eigens reservierte Slots für Güterzüge über den Brenner.  „Um die Attraktivität und vor allem die Kapazität der Schiene zu erhöhen, gibt es bereits jetzt einiges an Potential auf der Bestandsstrecke. Wir setzen uns bei den zuständigen Infrastrukturbetreibern mit Nachdruck dafür ein, dass die Zeit bis zur Inbetriebnahme des Brenner Basistunnels genutzt wird, um die Betriebsabläufe auf der Schiene grenzüberschreitend zu harmonisieren. Jegliche Harmonisierung, die nun angegangen wird, hilft anschließend schnellstmöglich die zusätzlichen Kapazitäten des BBT möglichst effizient zu nutzen“, so LH Kompatscher.