LHStv Geisler: „Wir wollen in Tirol keine Nettoimporteure erneuerbarer Energie sein“

Energie-Zielszenario mit Zielvorgaben zum Ausbau erneuerbarer Energien und für Energieeinsparung in Mobilität, Raumwärme und Wirtschaft.

Den Energiebedarf um 37 Prozent senken und die im Land verfügbaren erneuerbaren Energieressourcen von derzeit 43 auf 100 Prozent ausbauen – das sind die Zielvorgaben zur Erreichung der Energieautonomie Tirols bis zum Jahr 2050. Festgeschrieben wurde diese nunmehr im Energie-Zielszenario 2050.

„Wir richten in Tirol unsere Energiepolitik darauf aus, dass wir den Ausstieg aus Öl und Gas schaffen und dabei nicht zu Nettoimporteuren erneuerbarer Energie werden. Damit wollen wir das Klima schützen und bis zu zwei Milliarden Euro an Wertschöpfung zurück nach Tirol holen“, erklärt Energielandesrat LHStv Josef Geisler. In der konkreten Umsetzung der aktuellen EU- und Bundesziele gibt das Energie-Zielszenario Tirol 2050 die Schritte vor. „Alles, was an Verhaltensänderung etwa in der Mobilität oder bei Konsumgewohnheiten passiert, bringt uns schneller ans Ziel“, ruft LHStv Geisler zum Kauf regionaler Produkte oder zum Umstieg auf Öffis und Fahrrad auf.

Strom ist Schlüssel zur Energiewende und zum Klimaschutz

Alle in Tirol verfügbaren erneuerbaren Energieträger müssen bestmöglich genützt und eingesetzt werden, um den Energiebedarf bis 2050 unter dem Strich aus heimischen Ressourcen decken und so das Ziel „Tirol 2050 energieautonom“ erreichen zu können. Zwei Drittel der künftig benötigten Energie entfallen auf Strom. Und dieser wird in Tirol in erster Linie aus Wasserkraft und Sonnenenergie kommen. Derzeit liegt Strom im Energiemix bei rund einem Viertel.

Lücke beim Ausbau der Wasserkraft

Weiteren Handlungsbedarf gibt es beim Ausbau der Wasserkraft. Bereits 2011 hat die Tiroler Landesregierung ein Ausbauziel von 2,8 Terawattstunden festgelegt. 39 Prozent sind schon umgesetzt, genehmigt oder mit dem Gemeinschaftskraftwerk Inn und dem Ausbau des Speichers Kühtai in Bau. Für weitere 50 Prozent des Ausbauziels gibt es konkrete Projekte – das größte davon mit dem Kraftwerk Kaunertal. Aufgrund der erforderlichen Ökologisierung von bestehenden Kraftwerksanlagen ist in den nächsten Jahren mit Erzeugungseinbußen in der Höhe von rund 200 Gigawattstunden pro Jahr zu rechnen. „Das bedeutet, bei Umsetzung aller bekannten Projekte haben wir in Summe eine Lücke von 500 Gigawattstunden, die wir zur Erreichung der Energie- und Klimaziele durch den Bau zusätzlicher Klein- und Regionalkraftwerke füllen müssen. Das entspricht etwa zehn Regionalkraftwerken wie dem geplanten Gemeindekraftwerk der Gemeinden im Sellraintal“, verdeutlicht LHStv Geisler.

PV auf Dächern und weniger hochwertigen Flächen

Die Energieproduktion aus Photovoltaik (PV) muss bis 2030 um das Siebenfache und bis 2050 um das 40-Fache steigen. Dazu braucht es nicht nur PV-Anlagen auf 70 Prozent aller geeigneten Dächer, sondern auch auf Freiflächen. Rechnerisch 13.500 m2 Modulflächen pro Gemeinde sind zusätzlich zu den Dachflächen notwendig, um das PV-Ausbauziel zu erreichen. „Damit wir der Lebensmittelproduktion keine Flächen entziehen, schauen wir uns gerade an, welche bereits versiegelten oder nicht nutzbaren Flächen bei Deponien, Parkplätzen, Lärmschutzwänden etc. infrage kommen“, will LHStv Geisler hochwertige landwirtschaftliche Gründe und das Landschaftsbild schützen.

Mangelware grünes Gas

„Wir können in Tirol nur eine sehr begrenzte Menge an Biogas erzeugen. Grünes Gas ist Mangelware. Dieses wird vornehmlich für Produktionsprozesse mit hohen Temperaturen benötigt“, sieht LHStv Geisler den Einsatz von Biogas langfristig nicht als Heizenergie in der Raumwärme. 

Erarbeitet hat das „Energie-Zielszenario 2050 mit Zwischenzielen 2030“ ein Projektteam bestehend aus Wasser Tirol, Universität Innsbruck und MCI. „Wir haben auf Basis umfangreicher Vorarbeiten, aktueller Zahlen und technologischer Entwicklungen Zielpfade für die Steigerung der Energieeffizienz in der Mobilität, im Gebäudebereich und in der Produktion definiert sowie das nutzbare Potenzial heimischer Energieressourcen dargestellt“, erläutert Rupert Ebenbichler, Geschäftsführer der Wasser Tirol.

65 Prozent Energieeinsparung bei Mobilität

Um das Gesamteinsparungsziel von 37 Prozent zu erreichen, muss die Mobilität den größten Teil beitragen. Auch deshalb, weil hier mit Benzin und Diesel fast ausschließlich fossile Energieträger zum Einsatz kommen und im Technologiewechsel vom Verbrenner zum Elektroantrieb der größte Effizienzhebel liegt. „Wir gehen davon aus, dass der Energiebedarf im Sektor Verkehr bis 2030 sogar noch geringfügig steigen wird und erst dann mit zunehmenden Zulassungszahlen von rein elektrisch betriebenen Fahrzeugen oder Fahrzeugen mit Brennstoffzellentechnologie (Wasserstoff) zu einer signifikanten Einsparung führen wird“, so Ebenbichler. Bis 2050 soll die Mobilität emissionsfrei sein und deren Energiebedarf um 65 Prozent sinken.

Um 31 Prozent effizienter sollen die Gebäude in Tirol werden. Schätzungsweise 60.000 der rund 185.000 Gebäude in Tirol werden noch mit Öl beheizt, rund 56.000 Kunden beziehen Erdgas. Der Ausstieg aus Öl und Gas ist bereits eingeleitet. „Wärmepumpen, Fernwärme und Holz werden in der Raumwärme vorwiegend zur Anwendung kommen“, so Ebenbichler.

Energieeffiziente Wirtschaft

Bereits viele Vorleistungen in Sachen Energieeffizienz hat die Wirtschaft erbracht. Im Sektor Produktion gilt es, eine weitere Reduktion von sieben Prozent des Energiebedarfs zu erreichen. Gleichzeitig soll die Wirtschaft aber weiterhin wachsen. Wo es geht, müssen Prozesse auf Strom umgestellt werden. Wo das nicht möglich ist, kommen statt Erdgas zum Beispiel Wasserstoff, synthetisches Methan oder Biogas zum Einsatz. Viele Tiroler Produktionsbetriebe sind etwa im Bereich Wasserstoff oder bei der Umstellung auf stromgeführte Prozesse sehr zukunftsorientiert unterwegs, haben die StudienautorInnen festgestellt.

Die im „Energie-Zielszenario 2050 mit Zwischenzielen 2030“ festgeschriebenen Zielvorgaben werden für alle künftigen Entscheidungen im Energiebereich und bei Abwägung verschiedener öffentlicher Interessen zu berücksichtigen sein. Spätestens alle fünf Jahre werden die Zielpfade überprüft und gegebenenfalls neuen Entwicklungen angepasst.

Weitere Informationen finden sich unter www.tirol.gv.at/umwelt/energie/aktuelles/