Wohnungslosigkeit bei Frauen entgegenwirken

Tiroler Pilotprojekt „Housing First“ wird fortgeführt

  • Projekt unterstützt Frauen bei langfristiger Anmietung von Wohnungen und bietet sozialarbeiterische und psychosoziale Begleitung
  • „Housing First“ folgt Prinzip: erst die Wohnung, dann alles Weitere
  • Land Tirol stellt für das kommende Jahr 75.000 Euro zur Verfügung

Häusliche Gewalt, Alleinerziehung oder prekäre Arbeitsverhältnisse – es gibt viele geschlechtsspezifische Gründe, warum Frauen wohnungslos werden. Dabei tritt häufig das Phänomen der verdeckten Wohnungslosigkeit auf: Frauen leben nicht direkt auf der Straße, sondern im Verborgenen, indem sie etwa Zweckbeziehungen eingehen oder bei FreundInnen und Bekannten unterkommen. Um der Wohnungslosigkeit bei Frauen entgegenzuwirken, startete der Verein lilawohnt (zuvor „DOWAS für Frauen“) vor zwei Jahren – im Jänner 2022 – das tirolweit erste „Housing First“-Angebot in Innsbruck. „Housing First“ bedeutet: erst die Wohnung, dann alles Weitere. So werden im Rahmen des Projekts wohnungslosen Frauen eigene Wohnungen zur Verfügung gestellt. Zugleich bietet das Projekt sozialarbeiterische und psychosoziale Begleitung an, sodass den Frauen eine neue Perspektive für ein stabiles und selbstbestimmtes Leben ermöglicht wird. Dass der innovative Ansatz funktioniert, bestätigt auch der Forschungsbericht des Management Center Innsbruck (MCI), von dem das „Housing First“-Projekt wissenschaftlich begleitet wurde. Damit das Projekt fortgeführt werden kann, stellt das Land Tirol auf Antrag von Sozial- und Frauenlandesrätin Eva Pawlata weitere 75.000 Euro für das Jahr 2024 zur Verfügung.

Sicheres Wohnen als Basis

„Ich bin überzeugt, dass wir bei der Wohnfrage ansetzen müssen, um Menschen in Tirol langfristig vor Wohnungs- und Obdachlosigkeit zu schützen. Sicheres Wohnen ist – speziell für Frauen – die Basis für ein eigenständiges und gewaltfreies Leben. Zugleich ist es ein effizientes Mittel gegen Armut. ‚Housing First‘ von lilawohnt ist eine wertvolle Ergänzung der bestehenden Wohnungslosenangebote in Tirol, wozu etwa Sozialberatungsstellen, Betreutes Wohnen, Wohngemeinschaften oder Notschlafstellen zählen“, betont LRin Pawlata und führt aus: „Hinter weiblicher Wohnungslosigkeit steckt vielfach strukturelle Gewalt in Form vorherrschender Geschlechterverhältnisse und ungleicher Lebenslagen von Frauen. Zugleich sind wohnungslose Frauen einem hohen Risiko von physischer und psychischer Gewalt ausgesetzt. Das untermauert die Wichtigkeit frauenspezifischer Angebote und einer speziell an die Bedürfnisse der Frauen angepasste Betreuung.“

Langfristiger Wohnungserhalt durch psychosoziale Unterstützung

Zur Zielgruppe des „Housing First“-Angebots zählen Frauen, die von Wohnungslosigkeit bedroht oder betroffen sind und zugleich einen sozialarbeiterischen oder psychosozialen Unterstützungsbedarf aufweisen – etwa aufgrund von Trennung, Gewalterfahrung, psychischer Erkrankung, Suchterkrankung, Flucht oder Arbeitslosigkeit. Sie werden nach dem Motto „Wohnen als Ausgangspunkt, nicht als Endziel“ dabei unterstützt, eine Wohnung zur langfristigen Anmietung zu finden und diese dauerhaft zu erhalten. Parallel dazu können sie sozialarbeiterische und psychosoziale Begleitung und Unterstützung in Anspruch nehmen. Die Kosten für Wohnen und Lebensbedarf übernehmen die Frauen selbst.

„Das Besondere am Projekt ist, dass die Frauen in den Wohnungen bleiben können. Die Auseinandersetzung mit der Frage ‚Wo kann ich unterkommen?‘ ist nämlich häufig die Hauptbeschäftigung von wohnungs- und obdachlosen Menschen. Zugleich bleibt den Bewohnerinnen damit auch das etablierte Umfeld erhalten. Die EU hat das Ziel, bis 2030 Obdachlosigkeit abzuschaffen und Österreich hat die Vereinbarung von Lissabon unterzeichnet – bekennt sich somit zu dem Ziel. Mit der Weiterfinanzierung von ‚Housing First‘ trägt Tirol zur Zielerreichung bei“, sagt Julia Schratz, Geschäftsführerin von lilawohnt.

Aktuell begleiten zwei Mitarbeiterinnen die Frauen. Ihre Arbeit ist bedarfsorientiert und besteht aus Unterstützung, Begleitung, Gesprächen oder anderen psychosozialen/sozialarbeiterischen Tätigkeiten. „In der Praxis sehen wir jeden Tag, dass die Antwort auf Wohnungslosigkeit eine Wohnung ist“, erläutert Sozialarbeiterin Hanna Marte. „Endlich bin ich angekommen, endlich muss ich mir keine Gedanken mehr machen, endlich wo sein dürfen“, beschreibt Sozialarbeiterin Johanna Aigner die Reaktionen der Bewohnerinnen.

Über lilawohnt

Der Verein lilawohnt berät und unterstützt seit knapp 40 Jahren Frauen in Tirol bei der Existenzsicherung und Wohnungssuche bzw. dem Wohnungserhalt sowie in Gesundheits- und bei familiären Fragen. Darüber hinaus ist er – mit dem in diesem Jahr eröffneten Frauenhaus im Unterland – im Opferschutzbereich tätig. Die Mitarbeiterinnen beraten und begleiten jährlich über 1.000 Frauen. Die Angebote umfassen eine Beratungsstelle in Innsbruck und Schwaz, Betreute Wohnmöglichkeiten, eine Sozialpädagogische Wohngemeinschaft, den Mütter-Kind-Bereich, die „Housing Fist“-Wohnplätze und das Frauenhaus Unterland. Mehr Informationen finden sich unter https://lilawohnt.at.