Psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen stärken

2.700 Teilnehmende: Tiroler COVID-19 Kinderstudie zeigt psychische Belastungen bei Kindern und Jugendlichen auf

  • Derzeit 41 Kinder und Jugendliche in Tirol in Behandlung in Kinder- und Jugendpsychiatrien
  • Projekt „Gesund aus der Krise“ des Bundes: 650 zusätzliche Behandlungsplätze– weitere Plätze ab Anfang 2023 geplant
  • Zahlreiche weitere psychosoziale Beratungs- und Hilfsangebote in allen Tiroler Bezirken unter www.tirol.gv.at/psychosozialeangebote

Psychische Belastungen, Schlaf- und Aufmerksamkeitsprobleme, Trauma- und Bedrohungserfahrungen, depressive Symptome und Verhaltensweisen wie übermäßige Ängste, sozialer Rückzug und Angststörungen: Das sind Auswirkungen, die die Corona-Pandemie auf die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen haben kann. Home-Schooling und reduzierte soziale Kontakte hatten zudem einen Einfluss auf deren Alltag. Das zeigen auch aktuelle Ergebnisse aus der Tiroler COVID-19 Kinderstudie – einer vom Land Tirol geförderten Kooperationsstudie der Tirol Kliniken und der Medizinischen Universität. In den Jahren 2020 bis 2022 stieg laut dem nationalen Forschungs- und Planungsinstitut für das Gesundheitswesen, Gesundheit Österreich GmbH (GÖG), die Zahl der stationären Aufenthalte sowie der Wiederaufnahmen in den Kinder- und Jugendpsychiatrien. So haben in Tirol im Jahr 2021 die Akutaufnahmen im Vergleich zu den Vor-Corona-Jahren um 40 Prozent zugenommen. Derzeit befinden sich in Tirol 41 Kinder und Jugendliche Behandlung in Kinder- und Jugendpsychiatrien. Um noch mehr Behandlungsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche zu schaffen, initiierte das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK) das Projekt „Gesund aus der Krise“. Im Rahmen dessen stehen Kindern und Jugendlichen seit April 2022 in Tirol mit 650 Plätzen jeweils 15 kostenfreie klinisch psychologische, gesundheitspsychologische oder psychotherapeutische Behandlungseinheiten im Einzel- oder Gruppensetting zur Verfügung.

„Auf Basis der Tiroler Studie, aktuellen Zahlen und der Initiative ‚Gesund aus der Krise‘ des Bundes haben wir ein starkes Fundament. Dieses ebnet den Weg, um Kinder und Jugendliche gesund und gestärkt aus der Krise zu begleiten. Denn die vergangenen zwei Jahre haben Einschränkungen gefordert, was sich vor allem auch im Alltag und der sozialen Entwicklung von Kindern und Jugendlichen negativ auswirkte. Die Studie zeigt beispielsweise, dass auch die ‚Bedrohungserfahrung‘ durch das Coronavirus im engen Familienkreis negative Auswirkungen auf die psychische Gesundheit hatte“, sagt Gesundheitslandesrätin Cornelia Hagele und betont gemeinsam mit Soziallandesrätin Eva Pawlata: „Mit einem flächendeckenden Netz aus vielfältigen Beratungs- und Hilfsangeboten und präventiven Maßnahmen in allen Bezirken wollen wir psychischen Belastungen frühzeitig entgegenwirken und Kinder und Jugendliche nachhaltig in ihrer psychosozialen Entwicklung stärken.“

„Äußere Umstände, wie eine Pandemie, ein Krieg oder die Teuerungen, können speziell für junge Menschen eine psychische Belastungsprobe darstellen und Zukunftsängste wecken. Eine Krise oder eine seelische Last muss niemand alleine schultern: Es ist ein Zeichen von Kraft, sich genau dann Hilfe und Unterstützung zu holen“, betont LRin Pawlata und appelliert damit auch an die Eltern, Zeichen frühzeitig zu erkennen und Hilfe in Anspruch zu nehmen. „Die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen muss uns allen am Herzen liegen. Daher möchten wir das Thema verstärkt in den Vordergrund rücken, um mit einem möglichst vielschichtigen Hilfsangebot Tiroler Familien in Krisenzeiten zu unterstützen“, ergänzt Familienlandesrätin Astrid Mair.

Tiroler Studie: psychische Störungen verhindern und posttraumatisches Wachstum nutzen

Die Tiroler Studie wurde zwischen März 2020 und Jänner 2022 durchgeführt und forciert die Auswirkungen der COVID-19 Eindämmungsmaßnahmen auf die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen zwischen drei und dreizehn Jahren in Tirol und Südtirol. Rund 2.700 Eltern gaben in insgesamt vier Befragungsrunden Auskunft über die psychische Gesundheit ihrer Kinder, deren Berührungspunkte mit dem Coronavirus sowie deren subjektives Bedrohungserleben. Die Studie zeigt in Übereinstimmung mit anderen internationalen Studien, dass die psychischen Belastungen der Kinder und Jugendlichen in Zeiten von Pandemie und Krieg zugenommen haben. Subjektives Bedrohungserleben und finanzielle Schwierigkeiten wurden als Risikofaktoren identifiziert. Kathrin Sevecke, Studienleiterin und Primaria der Kinder- und Jugendpsychiatrie Hall und Innsbruck, berichtet: „Auch an der Klinik haben wir die Belastung der Kinder und Jugendlichen in der Pandemiezeit gemerkt. Es gibt aber Ideen und Wege Kinder und Jugendliche zu begleiten und zu unterstützen, um der längerfristigen Entwicklung von psychischen Störungen entgegenzuwirken.“ So führten die Erlebnisse aus der Pandemie laut der Studie bei den Kindern und Jugendlichen teilweise auch zu posttraumatischem Wachstum. Dabei werden traumatische Erfahrungen nicht allein als psychische und soziale Einbußen erlebt, sondern es werden auch persönliche Entwicklungsprozesse angestoßen. So wurden beispielsweise die Bindung und der Zusammenhalt in den Familien gestärkt und die Selbstständigkeit sowie der Erwerb neuer Fähigkeiten bei den Kindern beobachtet. „Die Studien und die klinische Erfahrung der letzten Monate und Jahre zeigen, dass dringender Handlungsbedarf besteht. Daher ist es wichtig auf die psychische Gesundheit der Kinder und Jugendlichen in diesen herausfordernden Zeiten aufmerksam zu machen“, betont Studienleiterin Sevecke.

Unterstützungsangebote durch Bundesprojekt „Gesund aus der Krise“

Mit rund 7.600 vermittelten Plätzen sichert das Projekt „Gesund aus der Krise“ des Bundes seit April 2022 österreichweit psychologische und psychotherapeutische Beratungen und Behandlungen zur Bewältigung von psychosozialen Folgen der COVID-19 Pandemie bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen bis zum vollendeten 22. Lebensjahr. Der Berufsverband Österreichischer Psychologinnen und Psychologen (BÖP) setzt das Förderprojekt des BMSGPK in enger Kooperation mit dem Österreichischen Bundesverband für Psychotherapie (ÖBVP) um. Nach der positiven Resonanz wird das Projekt nächstes Jahr verlängert und weiter ausgebaut, sodass auch in Tirol weitere Beratungs- und Unterstützungsangebote vonseiten des Bundes geschaffen werden.

Betroffene oder deren Erziehungsberechtigte können sich telefonisch unter 0800 800 122 oder über www.gesundausderkrise.at informieren und anmelden.

Übersicht: Psychosoziales Angebot für Kinder und Jugendliche in Tirol

In Tirol stehen derzeit 37 stationäre Plätze in der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Hall und weitere elf Plätze in den Tageskliniken in Hall und Innsbruck sowie zehn Plätze in der psychiatrischen Wohngemeinschaft „SPACE“ von „pro mente tirol“ zur Verfügung. Zusätzlich bieten vier Kassen-FachärztInnen, eine niedergelassene Ärztin sowie sechs angestellte FachärztInnen und eine Wohnsitz-Ärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie weitere Betreuungsplätze für Betroffene an.

Mit der Website www.tirol.gv.at/psychosozialeangebote hat das Land Tirol in Zusammenarbeit mit dem Tiroler Landesverband für Psychotherapie (TLP) dieses Jahr einen benutzerInnenfreundlichen Überblick über die gesamte Angebotslandschaft in Tirol im psychosozialen Bereich geschaffen. Differenziert wird dabei zwischen stationären, mobilen, ambulanten, online- und telefonischen Angeboten. Als Notfall-Anlaufstelle bei psychischen Problemsituationen zudem das Kriseninterventionszentrum für Kinder und Jugendliche (KIZ) zur Beratung und Hilfestellung unter der Nummer 0512 580 059 oder über www.kiz-tirol.at zur Verfügung.

Zudem bietet die Abteilung Kinder- und Jugendhilfe des Landes Tirol mit der Erziehungsberatung in allen Tiroler Bezirken eine erste Beratungshilfe für Familien in Krisenzeiten. Mehr Informationen zu Beratungs- und Betreuungseinrichtung für Kinder und Jugendliche sowie Eltern und Erziehungsberechtigte finden sich unter www.tirol.gv.at/beratung-und-betreuung-fuer-familien