Runder Tisch zur Betreuung und Unterbringung von Minderjährigen

LRin Pawlata lud VertreterInnen aus Politik, Tiroler Kinder- und Jugendhilfe sowie Gesundheitsbereich zu Austausch ein

  • Im Zentrum: aktuelle Herausforderungen im Umgang mit Kindern und Jugendlichen bei Selbst- oder Fremdgefährdung
  • Ausbau spezieller Betreuungsplätze („Intensiv Bewo Plus“): bis 2024 vier neue Wohnplätze
  • Fokus liegt auf Zusammenarbeit mit den betroffenen Jugendlichen und weiterführender Vernetzung der involvierten Institutionen

Können Kinder und minderjährige Jugendliche in Tirol aus unterschiedlichen Gründen nicht in ihrem Herkunftssystem aufwachsen, werden sie über die Tiroler Kinder- und Jugendhilfe betreut. Besonders komplex ist der Umgang mit Kindern und Jugendlichen, die selbst- oder fremdgefährdendes Verhalten zeigen. Hierfür braucht es die enge Zusammenarbeit aller SystempartnerInnen, insbesondere aus dem Gesundheitsbereich wie der Kinderklinik oder der Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie der Kinder- und Jugendhilfe. Um aktuelle Herausforderungen in der Betreuung und Begleitung von betroffenen Minderjährigen zu diskutieren und die Zusammenarbeit zwischen den Schnittstellen zu fördern, lud die für Kinder- und Jugendhilfe zuständige LRinEva Pawlata heute, Dienstagnachmittag, zu einem Runden Tisch ins Fohringerhaus in Innsbruck ein. Neben VertreterInnen der Tiroler Kinder- und Jugendhilfe sowie aus dem Gesundheitsbereich nahmen daran auch politische VertreterInnen teil. Gegenstand des Austauschs waren unter anderem die Empfehlungen der Arbeitsgruppe „Unterstützung für suchtgefährdete Jugendliche“ des Beirats für psychosoziale Versorgung, die etwa die Erweiterung spezieller Wohnangebote für Kinder und Jugendliche mit problematischem Suchtkonsum umfassen. Die wesentlichen Punkte in der Betreuung und Unterbringung von Minderjährigen liegen, so zeigte der Runde Tisch, im Zusammenwirken der unterschiedlichen Institutionen sowie dem Aufrechterhalten des Kontakts mit den Kindern und Jugendlichen.

Sicherheits- und Betreuungsnetz für Kinder und Jugendliche weiterentwickeln

„Ich nehme die Empfehlungen des Kinder- und Jugendhilfe-Beirats sowie des Beirats für psychosoziale Versorgung sehr ernst und sie sind richtungsweisend für mich. Für eine effektive Weiterentwicklung braucht es den Austausch, um aktuelle Herausforderungen zu verorten und auf diese entsprechend zu reagieren“, sagt LRin Pawlata und betont auch, dass es in Tirol ein sehr gutes Sicherheitsnetz und ein umfassendes Fundament für betreuungsbedürftige Kinder und Jugendliche gibt. „Der heutige Runde Tisch bildet dafür den Rahmen: Er soll Zuständigkeiten und Möglichkeiten umreißen und damit die Basis für eine transparente Weiterentwicklung des Sicherheits- und Betreuungsnetzes in Tirol darstellen“, führt die Landesrätin aus.

Aktuelle Angebote der Tiroler Kinder- und Jugendhilfe

Die Abteilung Inklusion und Kinder- und Jugendhilfe des Landes Tirol bietet für Kinder und minderjährige Jugendliche eine Reihe unterschiedlicher Angebote. Dazu zählen etwa stationäre Hilfen wie sozialpädagogische Wohngruppen mit rund 420 Plätzen, betreute Wohnformen mit rund 100 Plätzen, 35 Krisenplätze und 13 Eltern-Kind-Wohnplätze sowie Pflegeeltern und Pflegestellen, aber auch ambulante Hilfen. Darüber hinaus gibt es die Wohnform „Intensiv Bewo plus“ für Kinder und Jugendliche mit problematischem Suchtkonsum. Umgesetzt wurde diese auf Anregung der Arbeitsgruppe „Unterstützung für suchtgefährdete Jugendliche“ des Beirats für psychosoziale Versorgung, dessen Geschäftsstelle in der Abteilung Inklusion und Kinder- und Jugendhilfe des Landes angesiedelt ist. Aktuell bietet das SOS-Kinderdorf vier Wohnplätze an – bis 2024 soll das Angebot planmäßig auf insgesamt acht Plätze ausgebaut werden.

Niederschwellige und präventive Unterstützung forcieren

Elisabeth Harasser, Kinder- und Jugendanwältin von Tirol sowie Mitglied in der Arbeitsgruppe für suchtgefährdete Jugendliche, führt aus: „In den vergangenen Jahren beobachten wir, dass die tragischen Vorfälle von massiv gesundheits- und lebensgefährlichem Mischkonsum bzw. Überdosen zugenommen haben. Es werden daher auch Forderungen nach Zwangsmaßnahmen erhoben. Expertinnen und Experten sind sich jedoch einig, dass psychiatrische/psychologische Behandlungen im Zwangskontext nur in sehr bescheidenem Ausmaß Erfolg haben. Daher ist ein Ausbau spezifischer Angebote unumgänglich, die niederschwellig genug sind, um von den Betroffenen nicht im Vorhinein abgelehnt zu werden.“ Außerdem müsse ein Fokus auf die Prävention gesetzt werden: „Es gibt einen starken Zusammenhang zwischen Substanzkonsum und Traumatisierungen, Gewalterlebnissen und anderen Kindeswohlgefährdungen. Die Unterstützung der Kinder und Familien muss daher unbedingt schon dann beginnen, bevor die Jugendlichen ihre Traumata mit Drogen bekämpfen.“

Einbindung von Kindern und Jugendlichen

Auch zum bundesweiten Unterbringungsgesetz und damit der Möglichkeit einer geschlossenen Unterbringung in der Kinder- und Jugendpsychiatrie brachte die Arbeitsgruppe Empfehlungen vor. Diese sehen eine Stärkung der Schnittstelle Kinder- und Jugendhilfe – Kinderklinik – Kinder- und Jugendpsychiatrie vor. Dies gelinge etwa durch eine breitere Auslegung des Begriffs der „psychischen Krankheit“. Aktuell können Minderjährige, bei denen eine erhebliche Gefahr der Selbst- und Fremdgefährdung besteht, nur dann im Sinne des Unterbringungsgesetzes stationär in der Klinik untergebracht werden, wenn auch das Vorliegen einer psychischen Krankheit bestätigt wird. Des Weiteren solle dem Kinder- und Jugendhilfeträger sowie den Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen eine stärkere Position im Rahmen der Aufnahmeuntersuchung eingeräumt werden.

„Ich bin überzeugt, dass wir eine treffsichere Unterbringung von selbst- oder fremdgefährdeten Kindern und Jugendlichen sicherstellen müssen, ohne dabei in die Freiheitsrechte junger Menschen eingreifen zu müssen. Es geht dabei um einen kurzfristigen Zeitraum, damit alle involvierten Institutionen aus dem Betreuungs- und Gesundheitsbereich sowie die Kinder- und Jugendhilfe eine Lösung finden können. Wir werden auch die Neuerungen im Unterbringungsgesetz dahingehend analysieren. Bei allen Formen der Betreuung von Kindern und Jugendlichen muss aber gemeinsam gearbeitet werden – und nicht gegen ihren Willen“, sagt LRin Pawlata.

Die im Rahmen des Runden Tisches thematisierten Herausforderungen in der Betreuung von Minderjährigen sollen nun bei der Entwicklung weiterer Maßnahmen zum Wohl von Kindern und Jugendlichen in Tirol verstärkt Beachtung finden. Der offene Austausch mit den VertreterInnen aus Politik, Tiroler Kinder- und Jugendhilfe sowie dem Gesundheitsbereich soll dabei beibehalten werden.