Veranstaltungsübersicht
Die letzte Zeitzeugin
Marion Fischer, Überlebende des Holocaust, im Gespräch mit Horst Schreiber
„Es war schon damals kein Honiglecken, Flüchtling zu sein, wie auch heute nicht“, betont Marion Fischer, geboren im Burgenland, 1938 gezwungen zur Flucht, aufgewachsen in Lagern des faschistischen Italien und knapp der Deportation ins KZ Auschwitz entkommen.
Vier Jahre lang ist sie mit ihrer Familie in der Schweiz geduldet, dann wird sie nach Meran abgeschoben, ab 1951 ist Tirol ihre neue Heimat. Seit Jahren besucht Marion Fischer als Zeitzeugin Schulen in Tirol und Italien: „Es ist meine Pflicht, jungen Menschen meine Erfahrungen weiterzugeben und über mein Leben als jüdischer Flüchtling zu sprechen.“
Zeitgeschichte vor Gericht. Der Reichenau-Prozess 1948 im Alten Landhaus in Innsbruck
Szenische Lesung
Am 6. Dezember 1948 beginnt in Innsbruck ein Prozess, der großes mediales Interesse hervorruft. Sieben Männer, die Teil der Verwaltung und der Wachmannschaft im Lager Reichenau gewesen sind, sitzen auf der Anklagebank. Ein französisches Militärtribunal verurteilt sie für hunderte Misshandlungen und mehrere Morde an den Gefangenen des Lagers Reichenau zu langjährigen Haftstrafen. Die Lesung dokumentiert die Vernehmung des Angeklagten Werner Hilliges, des ehemaligen Innsbrucker Gestapo-Chefs.
Arbeitseinsatz für das Reich. Zwangsarbeit in Tirol 1939–1945
Vortrag Sabine Pitscheider mit anschließender Diskussion (Moderation Horst Schreiber)
Von September 1939 bis zum Mai 1945 arbeiteten Zehntausende von Menschen – Freiwillige, zwangsweise Angeworbene, Deportierte, Kriegsgefangene – aus allen besetzten Ländern Europas in der Tiroler Wirtschaft. Der Vortrag thematisiert die ideologischen Grundlagen des „Ausländereinsatzes“, die vielfältigen Einsatzgebiete in Tirol (Landwirtschaft, Industrie, Bau), die Lebens- und Arbeitsbedingungen, den Strafkatalog bei Widersetzlichkeiten, angefangen von Verwaltungsstrafen über Haft bis zur Internierung im Lager der Gestapo oder Gerichtsprozessen gegen Frauen.
Genug vom Krieg. Deserteure der Wehrmacht und ihre Helferinnen
Vortrag Peter Pirker mit anschließender Diskussion (Moderation Nikolaus Hagen)
Mehr als 600 Tiroler Wehrpflichtige weigerten sich im Zweiten Weltkrieg für den NS-Staat (weiter) zu kämpfen. Sie hatten genug vom Grauen des Krieges und etwas Besseres mit ihrem Leben im Sinn, als dem Eid gemäß für den Führer zu sterben. Viele von ihnen wurden von Frauen unterstützt. Nicht allen gelang die Flucht – Wehrmacht, Kripo und Gestapo setzten alles daran, das Zerbröckeln der "Manneszucht" zu unterbinden.
Die Gedächtnislandschaft Tirols und der Eduard-Wallnöfer-Platz
Diskussion mit Kathrin Aste, Christopher Grüner und Horst Schreiber
Wie sieht die materielle Erinnerungskultur in Tirol aus? Welche architektonisch-formale, (bau)künstlerische und inhaltliche Erwägungen leiteten die Neugestaltung des Wallnöfer-Platzes? Welche Rolle nimmt er heute in der Gedächtnislandschaft Tirols ein? Die Antworten auf diese Fragen geben ein Historiker sowie eine Architektin und ein Künstler, die an der Intervention am Platz maßgeblich beteiligt waren.
Der Mord an psychisch und geistig beeinträchtigten Menschen in der NS-Zeit
Rundgang am Gedenk- und Informationsort Hall zur NS-Euthanasie mit Oliver Seifert
In den Jahren 1940 bis 1942 werden 360 Frauen, Männer, Jugendliche und Kinder aus der Heil- und Pflegeanstalt Hall in Tirol abtransportiert. Sie kommen in Tötungsanstalten nach Hartheim oder Linz-Niedernhart in Oberösterreich, wo sie ermordet werden. Arbeitsteilig wird die Ermordung unter anderem an den Schreibtischen im Landhaus umgesetzt. Sie baut auf eine enge Zusammenarbeit von Partei und Staat auf.
Krieg. Stell dir vor, er wäre hier
Theaterstück von Janne Teller, ab 12 Jahren
Krieg, mitten in Europa! Wer kann, flieht in den Nahen Osten. Wie der junge Protagonist aus Österreich. In einem ägyptischen Flüchtlingslager versucht er ein neues Leben zu beginnen: Ohne Schule, ohne Sprachkenntnisse und ohne Arbeit. Er sehnt sich nach zuhause. Doch wo ist das?
Flucht und Ankommen
Wolfgang Böhmer im Gespräch mit Hesmat Hashemi über seine Flucht aus Afghanistan und sein Leben in Österreich
Hesmat lebt in Mazar-e Sharif in Afghanistan. Er ist acht Jahre alt, als die Mutter stirbt und wenig später sein Vater umgebracht wird. Völlig auf sich allein gestellt, beschließt der Elfjährige zu fliehen. Nach elf Monaten landet er halb verhungert, gequält und mit letzter Kraft in Österreich. Der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft geht ein bürokratischer Spießroutenlauf voraus. Heute lebt Hesmat in Innsbruck, ist verheiratet und Vater von zwei Söhnen.
(Ver)störende Orte und die Rolle künstlerischer Interventionen
Diskussion zur Rolle künstlerischer Interventionen im Kontext von NS-Relikten (Moderation Dirk Rupnow)
NS-Bauten werden im Allgemeinen als ver/störende Orte wahrgenommen. In vielen Fällen wird darauf mit Kunst reagiert, die sie „reinigen“ und im Heute weiterhin nutzbar machen soll. In einer Podiumsdiskussion mit Kunstpraktikerinnen/-praktikern und Kunstheoretikerinnen/-theroretikern widmen wir uns Fragen, die in diesem Zusammenhang relevant sind: Wie hat sich der Umgang mit belasteten Gebäuden (und anderen Objekten) über die Zeiten verändert? Welche Rolle und Wirksamkeit werden im Umgang mit belasteten Gebäuden der Kunst zugeschrieben, welche Erwartungshaltungen gibt es an sie? Welche ästhetischen Strategien gibt es dabei, wie werden sie von forschenden und dokumentierenden Ansätzen begleitet? Wie sind künstlerische Interventionen eingebettet in das weitere Feld von Erinnerungskultur und Geschichtspolitik?
„Idee des auffliegenden Adlers“. Die Architektur des Landhauses
Führung zur Architektur- und Entwicklungsgeschichte des Landhauses und zur NS-Architektur
Das neue „Gauhaus“ sollte dem umfangreichen Raumbedarf des NS-Apparats gerecht werden und den Gau Tirol-Vorarlberg repräsentieren. Die Architekten Guth reichten beim veranlassten Wettbewerb einen Entwurf ein, der die „Idee des auffliegenden Adlers“ widerspiegelt und prototypisch dem Kanon der NS-Architektur entspricht. Zahlreiche Überarbeitungsphasen des Entwurfs veränderten das Erscheinungsbild des Gebäudes gravierend.
Leben und Arbeiten in der NS-Diktatur
Führung zur Nutzungs- und Alltagsgeschichte des Landhauses mit Christian Mathies
Der Schwerpunkt der Führung liegt auf Geschichten von Menschen, die mit dem Gebäude in Verbindung stehen. Sie bieten Einblicke in den Verwaltungsalltag und den Umfang der NS-Verbrechen. Viele unterstützten die NS-Diktatur, andere waren gleichgültig oder schauten weg. Nur wenige Menschen widersetzten sich. Ihre Geschichten werfen Fragen zur gesellschaftlichen Verantwortung im Nationalsozialismus und zu Handlungsspielräumen auf.
Café Schindler im Landhaus
Szenenausschnitte und Gespräch mit Meriel Schindler
Meriel Schindler schrieb den Bestseller Café Schindler: Eine außergewöhnliche Geschichte, die zwei Jahrhunderte, zwei Weltkriege und ein Familienunternehmen umspannt. Das legendäre Café Schindler wurde 1922 gegründet und schnell zum pulsierenden sozialen Zentrum von Innsbruck – bis die Nazis kamen. Es ist die Geschichte von Enteignung und Vertreibung, vom Holocaust in Tirol und auch eine persönliche Spurensuche. Am 6. April fand die Uraufführung von Café Schindler im Tiroler Landestheater statt. Diese zutiefst berührende Bearbeitung einer Familiengeschichte nimmt das Publikum auf eine emotionale Entdeckungsreise mit und lässt die Geschichte der Jüdinnen und Juden der Habsburgermonarchie lebendig werden.
Gemeinsam mit Meriel Schindler lauschen wir ausgewählten Szenenausschnitten und sprechen danach mit der Autorin, den SchauspielerInnen und dem Publikum, wie präsent der Umgang mit dem jüdischen Erbe in Tirol heute in Innsbruck ist. Was hat die biografische Erzählung des legendären Cafés in der Gesellschaft ausgelöst?
Die Denkmäler des Krieges, des Widerstandes und der Befreiung vom Nationalsozialismus
Rundgang durch Innsbruck zur NS-Erinnerungskultur mit Selina Mittermeier
Der Rundgang stellt Denkmäler vor und diskutiert den gesellschaftlichen Umgang mit der Vergangenheit. Er blickt auch dorthin, wo kein Denkmal an ein Ereignis erinnert und bespricht Biografien von Verfolgten des Nationalsozialismus. Ausgehend vom Eduard-Wallnöfer-Platz werden Geschichten von Plätzen, Häusern, Geschäften und Gedenktafeln erzählt, die sich auf dem Weg Richtung Universität befinden. Die Route endet am Christoph-Probst-Platz.
Vom Wert des Erinnerns Band 2
Präsentation der Publikation zum Förderschwerpunkt Erinnerungskultur (Förderperiode 2019 bis 2023)
Im Dezember 2013 wurde mit Beschluss der Tiroler Landesregierung der Förderschwerpunkt Erinnerungskultur eingerichtet. Im Rahmen des Förderschwerpunkts werden wissenschaftliche Projekte finanziert, die zur kritischen Aufarbeitung historischer und gesellschaftlicher Entwicklungen im Tirol des 20. und 21. Jahrhunderts, einschließlich ihrer Folgen und Rezeption beitragen. Im 2. Band der Publikation „Vom Wert des Erinnerns“ werden die im Zeitraum 2019 bis 2023 im Förderschwerpunkt Erinnerungskultur unterstützten Forschungsvorhaben und deren wesentliche Ergebnisse präsentiert.
Das Tagebuch der Diana B.
Filmvorführung und Gespräch mit der Regisseurin Dana Budislavjevic
Die gebürtige Innsbruckerin Diana Budisavljević (geb. Obexer) initiierte eine der größten Rettungsaktionen des Zweiten Weltkriegs. Sie konnte von 1941-1945 mehr als 10.000 Kinder aus den Todeslagern des faschistischen Ustascha-Regimes befreien. Dianas Tagebucheinträge bilden das Gerüst für einen hybriden Film, in dem gespielte Szenen, Archivmaterial und Interviews mit Überlebenden miteinander verwoben werden.
Kroatien/Slowenien/Serbien 2019; Regie: Dana Budisavljević; Buch: Dana Budisavljević, Jelena Paljan; Kamera: Jasenko Rasol; Musik: Alen Sinkauz, Nenad Sinkauz; Darsteller*innen und Mitwirkende: Alma Prica, Živko Zelenbrz, Nada Vlaisavljević, Zorka Janjanin, Milorad Jandrić, Igor Samobor, Biserka Ipša u.a.; (DCP; Schwarzweiß; 88min; kroatische und deutschsprachige ORIGINALFASSUNG MIT DEUTSCHEN UNTERTITELN).
Vermittlungsangebot für Schulklassen: Leben und Arbeiten in der NS-Diktatur
Die SchülerInnen lernen über historisches Quellenmaterial die Geschichte von mehreren Menschen kennen, die mit der NS-Landhauserweiterung in Verbindung stehen. In Kleingruppen ordnen sie die Erzählungen mithilfe der Ausstellung in den historischen Kontext ein. Fragen nach jeweiligen Handlungsspielräumen und Macht werden diskutiert und Gegenwartsbezüge werden hergestellt: Was bedeuten diese Lebensgeschichten aus der NS-Zeit für uns und unsere heutige Demokratie?