Landesvolksanwältin: Brücke zwischen BürgerInnen und Verwaltung

  • LVAin Winkler-Hofer legt Jahresbericht für 2022 vor
  • 3.603 Kontakte verzeichnet, Beratungen überwiegen
  • Digitalisierung, Teilhabe und Barrierefreiheit: konkrete Anregungen an Gesetzgeber

Es ist ihr erster Jahresbericht, den Landesvolksanwältin Doris Winkler-Hofer am vergangenen Mittwoch dem Landtag vorgelegt hatte und heute gemeinsam mit Landtagspräsidentin Sonja Ledl-Rossmann präsentierte. Auf über 90 Seiten fasste LVAin Winkler-Hofer die Arbeit des Landtagsorgans für das Jahr 2022 zusammen. Insgesamt kam es zu 3.603 Kontakten mit BürgerInnen, in 80 Prozent der behandelten Fälle wurde die Landesvolksanwältin und ihr Team beratend tätig, bei jedem fünften Kontakt wurde eine Beschwerde entgegengenommen. Die meisten Anliegen wurden telefonisch und schriftlich vorgebracht, bei den persönlichen Kontaktaufnahmen kam es im Vergleich zu 2021 wieder zu einem leichten Anstieg. Thematisch ließen sich die meisten Kontakte den Bereichen Sozialrecht sowie Behindertenanliegen zuordnen (jeweils 18 Prozent), gefolgt von Bau- und Raumordnung (9 Prozent) und Privatrecht (8 Prozent).

„Hinter jedem erfassten Fall stehen Menschen und ihre Schicksale. Die Intensität und der Zeitaufwand, die für die Bearbeitung der Anliegen erforderlich sind, wird von uns nicht erfasst, die genannten Zahlen bilden immer nur ein Versuch, unsere Tätigkeit greifbar zu machen“, so die Landesvolksanwältin Winkler-Hofer. „Generell orte ich eine gewisse Rat- und Hoffnungslosigkeit in Teilen der Bevölkerung. Meine zentrale Aufgabe ist es, gerade in dieser Zeit, in der aufgrund schwerer Krisen das Vertrauen der Bevölkerung in den Staat sehr gelitten hat, die Brücke zwischen Bürgerinnen und Bürgern und der Landesverwaltung zu bilden und zu versuchen, den Glauben an unser Gemeinwesen dort zu stärken, wo dieser verloren gegangen ist.“

Nach der Schilderung der statistischen Daten griff LVAin Winkler-Hofer drei exemplarische Schwerpunkte ihrer Anregungen an die Gesetzgebung heraus:

Fokus „Digitalisierungsverlierer“

Wenngleich die zunehmende Digitalisierung viele Vorteile mit sich bringt, so kommen immer wieder BürgerInnen zur Landesvolksanwältin, weil sie nicht in der Lage sind, elektronische Formulare richtig zu befüllen oder weil sie kein dafür geeignetes Smartphone besitzen. Zugleich gibt es mittlerweile auch öffentliche Förderungen, die nur noch online beantragt werden können. Aus Sicht der Landesvolksanwältin sollte, um niemanden von der Antragstellung auszuschließen, neben der elektronischen Eingabemöglichkeit immer auch ein Papierformular angeboten werden.

Fokus „Schlichtungsstelle“

Zahlreiche Leistungen nach dem Tiroler Teilhabegesetz sind der Privatwirtschaftsverwaltung zugeordnet. Das bedeutet, dass eine negative Entscheidung nur mit einer Klage vor dem Bezirksgericht bekämpft werden kann. Viele lassen sich davon abschrecken, sich gegen die Ablehnung ihres Antrages zu wehren – auch aus Angst vor möglichen damit verbundenen Kosten. Die Schaffung einer Schlichtungsstelle 2018 war hier grundsätzlich ein wichtiger Schritt. Bevor eine Klage eingebracht werden darf, muss zwingend versucht werden, über die Schlichtungsstelle eine Einigung mit der Behörde zu erzielen. Für Letztere besteht allerdings keine Verpflichtung, das Ergebnis des Schlichtungsverfahrens anzuerkennen bzw. umzusetzen. Die Landesvolksanwältin regt an, die Befugnisse der Schlichtungsstelle auszuweiten, um sie zu einem echten Rechtsschutzinstrument auszugestalten. Weiters wird empfohlen, auf der Webseite Informationsmaterial zur Zuständigkeit und zum Verfahrensablauf der Schlichtungsstelle zur Verfügung zu stellen.

Fokus „Veranstaltungsrecht“

An die Landesvolksanwältin werden immer wieder Beschwerden über mangelnde Barrierefreiheit von Veranstaltungen herangetragen. Im Tiroler Veranstaltungsgesetz ist zwar geregelt, dass Veranstaltungen dem Stand der Technik entsprechen müssen, womit grundsätzlich auch die Barrierefreiheit mitgemeint wird. Sie wird jedoch nicht explizit erwähnt. Es wird daher angeregt, das Tiroler Veranstaltungsgesetz dahingehend zu ergänzen, dass öffentliche Veranstaltungen, soweit dies technisch und wirtschaftlich zumutbar ist, barrierefrei sein sollen. Zudem schlägt die Landesvolksanwältin vor, Checklisten oder ähnliche Behelfe für die Veranstalter zur Verfügung zu stellen, damit die Barrierefreiheit auch für diese leichter umsetzbar wird.

„Die Landesvolksanwältin und ihr Team bieten für die Tiroler Bevölkerung eine unverzichtbare Anlaufstelle, um Beratungen in Anspruch zu nehmen und auch Beschwerden zu deponieren. Und auch uns Politikerinnen und Politiker liefert das Landtagsorgan wichtige Anregungen, wo Gesetze eventuell nachgeschärft werden sollten oder die Verwaltung ihr Serviceangebot ausweiten könnte“, erläutert LTPin Sonja Ledl-Rossmann. „Das Bild des Brückenbauens ist also mehr als passend!“

Über die Tiroler Landesvolksanwältin

Die Landesvolksanwaltschaft wurde im Jahr 1989 vom Tiroler Landtag als Beratungs- und Beschwerdestelle geschaffen, die den BürgerInnen ergänzend zum bestehenden Rechtschutzsystem möglichst einfach und unbürokratisch beistehen soll. Als Organ des Landesparlaments agiert die Landesvolksanwältin von der Landesregierung unabhängig und weisungsfrei. Konkret kontrolliert sie die Verwaltungstätigkeit der Gemeinden, der Bezirkshauptmannschaften, des Stadtmagistrates Innsbruck und des Amtes der Tiroler Landesregierung.

Seit 1. April 2022 leitet Doris Winkler-Hofer die Landesvolksanwaltschaft, ihr zur Seite steht ein achtköpfiges Team – darunter auch Behindertenanwalt Kristof Widhalm. Der Sitz der Beratungs- und Beschwerdestelle ist in Innsbrucker, Meraner Straße 5. Es werden jedoch regelmäßig Sprechtage in den Tiroler Bezirken angeboten.

Unter www.tirol.gv.at/landtag/landesvolksanwaeltin können die Jahresberichte von 2022 sowie jene der Vorjahre online eingesehen werden.