Agrargemeinschaftliche Grundstücke und Agrargemeinschaften
Als agrargemeinschaftliche Grundstücke werden Grundstücke definiert, die von einer Mehrheit von Berechtigten auf Grund alter Übung gemeinschaftlich für land- und forstwirtschaftliche Zwecke genutzt werden. Diese Berechtigung ist regelmäßig mit einer Liegenschaft (Stammsitzliegenschaft) verbunden, vereinzelt finden sich aber auch noch persönliche (sog. walzende) Berechtigungen. Die Gesamtheit der jeweiligen Eigentümer der berechtigten Stammsitzliegenschaften sowie der persönlich Berechtigten bildet eine Agrargemeinschaft. Die Ordnung der rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse an agrargemeinschaftlichen Grundstücken kann durch Teilungen und Regulierungen neu festgelegt werden.
Die Nutzung eines agrargemeinschaftlichen Anteilsrechtes bildet für den landwirtschaftlichen Betrieb oft den Ersatz für mangelnde Eigentumsflächen. Agrargemeinschaften verwalten den gemeinsamen Liegenschaftsbesitz und stellen die Weide- und Holznutzungen der landwirtschaftlichen Betriebe sicher.
In Tirol gibt es schätzungsweise 1.800 bis 2.000 Agrargemeinschaften. Nach der Art der gemeinschaftlichen Grundstücke ist zwischen Alm-, Weide- und Waldagrargemeinschaften zu unterscheiden, vielfach gibt es auch Mischformen. Agrargemeinschaften sind Körperschaften des öffentlichen Rechtes. Als Selbstverwaltungskörper treffen sie ihre Entscheidungen nach gesetzlichen Grundlagen, Regulierungs- oder Wirtschaftsplänen und nach ihren Satzungen grundsätzlich autonom. Agrargemeinschaften stehen jedoch unter der Aufsicht der Agrarbehörde (Abteilung Agrarrecht).
Die Abteilung Agrarrecht ist Ansprechpartner für alle rechtlichen Angelegenheiten, die im Zusammenhang mit Agrargemeinschaften stehen.
Die Ordnung der rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse an agrargemeinschaftlichen Grundstücken ist im Tiroler Flurverfassungslandesgesetz 1996 (TFLG 1996) geregelt.
Sonderformen in Tirol
Teilwaldagrargemeinschaften:
Die Teilwälder in Tirol stellen eine regionale rechts- und wirtschaftsgeschichtliche Besonderheit dar. Unter Teilwaldrechten versteht man ausschließliche Holz- und Streunutzungsrechte, die auf Grund öffentlicher Urkunden zugunsten bestimmter Liegenschaften oder bestimmter Personen auf bestimmten Teilflächen von Waldgrundstücken bestehen, deren Grundeigentum jedoch einer Gemeinde oder einer Agrargemeinschaft zusteht. Teilwälder sind agrargemeinschaftliche Anteilsrechte.
Atypische Gemeindegutsagrargemeinschaften:
Unter atypischen Gemeindegut versteht man Grundstücke, die vormals im Eigentum einer Gemeinde gestanden sind, durch Regulierungsplan ins Eigentum einer Agrargemeinschaft übertragen wurden und vor dieser Übertragung der Deckung des Haus- und Gutsbedarfes von Stammsitzliegenschaften gedient haben.
Mit Erkenntnis vom 11.06.2008, Zl. B464/07, wurde vom Verfassungsgerichtshof festgestellt, dass die Eigentumsübertragungen am Gemeindegut von Gemeinden auf Agrargemeinschaften verfassungswidrig waren. In solchen Fällen ist Gemeindegut entstanden, das nun in atypischer Weise im gemeinsamen Eigentum der Gemeinde und der Nutzungsberechtigten steht und als Agrargemeinschaft organisiert ist. Daraus ergibt sich, dass der Substanzwert des Gemeindegutes der Gemeinde zusteht. Unter dem Substanzwert eines Grundstückes versteht der Verfassungsgerichtshof jenen Wert, der nach Abzug der Belastungen durch die land- und forstwirtschaftlichen Nutzungsrechte verbleibt (z.B. Erträge aus Schotterabbau).
Mit der Novelle LGBl. Nr. 70/2014 wurde ein neuer zweiter Unterabschnitt in das Tiroler Flurverfassungslandesgesetz (§ 36a bis § 36k) eingefügt. In diesem Abschnitt sind die für atypische Gemeindegutsagrargemeinschaften erforderlichen Sonderbestimmungen betreffend Organisation, Willensbildung und Finanzgebarung zusammengefasst. Die Verwaltung der atypischen Gemeindegutsagrargemeinschaften wird durch ein vom Gemeinderat bestelltes Organ der Agrargemeinschaft, dem Substanzverwalter, gewährleistet.