Rede LH Günther Platter

1. Mai 2020

Liebe Tirolerinnen und Tiroler,

heute feiern wir den 1. Mai, den Tag der Arbeit, anders als in den vergangenen Jahren. Gerade in Tirol konnten wir immer stolz auf die höchste Beschäftigung und die niedrigste Arbeitslosigkeit sein. Das ist heute gänzlich anders – bei uns, in Österreich und auf der ganzen Welt. Durch die Corona-Krise hat der heutige 1. Mai eine besondere Dimension bekommen. Wahrscheinlich haben sich seit vielen Jahrzehnten nicht mehr so viele Menschen Sorgen um den eigenen Arbeitsplatz, aber auch um den eigenen Betrieb gemacht wie derzeit. Noch vor einem Jahr gab es bei uns in Tirol de facto Vollbeschäftigung, heute verzeichnen wir die höchste Arbeitslosigkeit seit Jahrzehnten. Den heimischen Unternehmen ging es lange Zeit sehr gut, jetzt stehen sehr viele vor einer ungewissen Zukunft. Hinter jeder Zahl steht ein Schicksal, steht eine Familie, die um ihre wirtschaftliche Existenz bangt. Da geht es den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nicht anders als den Unternehmerinnen und Unternehmern – sie alle plagen Zukunftsängste.

Diese Woche wurde der Wiedererrichtung der Republik Österreich aus den Trümmern des zweiten Weltkrieges und der Befreiung von der Naziherrschaft gedacht. Auch wenn derzeit gerne historische Vergleiche gezogen werden, bin ich der Meinung, dass die Situation heute bei aller Dramatik der aktuellen Ereignisse zum Glück nicht mit jener von damals vergleichbar ist. Es geht heute nicht um einen Krieg, es geht heute nicht um eine Diktatur und unser Land liegt nicht in Trümmern. Es ist aber unbestritten, dass wir vor großen Herausforderungen stehen. Aber die Voraussetzungen zur Bewältigung dieser Krise sind ungleich besser als früher. Der Blick in die Vergangenheit lehrt uns aber eines: Es ist möglich, nach schwierigen Zeiten gemeinsam etwas Neues aufzubauen.

Das gelingt dann, wenn man aufeinander Rücksicht nimmt, wenn die Stärkeren die Schwächeren unterstützen und wenn man erkennt, dass man miteinander erfolgreicher sein kann als gegeneinander.

Liebe Tirolerinnen und Tiroler,

heute schaut es ganz danach aus, dass wir die erste Welle der Corona-Pandemie gut in den Griff bekommen haben. Dafür bin ich Ihnen sehr dankbar, denn ich weiß, dass Ihnen die harten Maßnahmen und Beschränkungen der persönlichen Freiheit in den vergangenen Wochen sehr viel abverlangt haben. Die große Disziplin – oder besser gesagt die große Rücksichtnahme aufeinander – war die Grundlage dafür, dass sich die Gesundheitssituation in eine so erfreuliche Richtung entwickelt hat. Bei aller Freude über das bisher Erreichte dürfen wir jetzt nicht euphorisch werden. Wir alle müssen weiterhin Masken tragen, Abstand halten und die Hygienevorschriften einhalten – denn nur so lässt sich eine zweite Erkrankungswelle verhindern.

Aus dieser Gesundheitskrise ist längst eine Wirtschaftskrise geworden. Daher setzen wir auch alles daran, um die negativen wirtschaftlichen und sozialen Effekte so gut es geht abzufedern. Mit einem 400 Millionen Euro Paket, das wir in einem ersten Schritt beschlossen haben, steht das Land den Tirolerinnen und Tirolern zur Seite. Wir unterstützen die Betriebe, damit sie wieder erfolgreich sind und sichere Arbeitsplätze bieten können. Durch öffentliche Investitionen setzen wir Impulse, damit jene, die ihre Arbeit verloren haben, rasch wieder eine Chance auf Beschäftigung finden. Auch der Tourismus, der über Jahrzehnte und vor allem in der Wirtschafts- und Finanzkrise 2009 eine sehr wichtige Stütze war, braucht wieder eine Perspektive. Wir unterstützen auch die Gemeinden, damit sie ihrer Aufgabe in der Daseinsvorsorge gerecht werden, damit sie für die heimische Wirtschaft ein verlässlicher Aufraggeber sind und damit die Arbeitsplätze in unserem Land gesichert bleiben. Ganz besonders wichtig ist es mir, den Tiroler Familien Zuversicht und Sicherheit in dieser schwierigen Zeit zu geben.

Als Landeshauptmann ist es mir ein großes Anliegen, dass aus dieser Wirtschaftskrise keine Gesellschaftskrise wird. Das Miteinander und die Solidarität in unserer Gesellschaft müssen gewahrt bleiben, die sozial Schwachen dürfen nicht vergessen werden. Denn wenn eines unser Land in der Vergangenheit stets im Besonderen ausgezeichnet hat, dann war es der soziale Zusammenhalt. Wir haben diesen immer dann gespürt, wenn es Naturkatastrophen zu bewältigen gab, aber auch, wenn schwere Unfälle oder gar Verbrechen das Leben in unserem Land auf eine harte Probe gestellt haben. Da zeigt sich, dass sehr viele in unserem Land nicht nur an sich denken, sondern an jene, die Hilfe, Unterstützung und Verständnis brauchen.

In Tirol stellen wir uns immer schon jeder Herausforderung, die sich uns in den Weg stellt. Bei der aktuellen Corona-Krise hat sich das einmal mehr sehr deutlich gezeigt. Gemeinsam haben wir uns daran gehalten, dahoam zu bleiben. Und gemeinsam werden wir jetzt – unter großer Rücksichtnahme aufeinander – unser Land wieder in Schwung bringen. Ich bin überzeugt, dass Tirol aus dieser Krise gestärkt hervorgehen wird – und darauf können wir dann alle gemeinsam stolz sein.