Tiroltag 2020 beim Europäischen Forum Alpbach

LH Platter: „Wir nehmen die Zukunft der Euregio in neue Hände – gemeinsam mit der Bevölkerung“

Die Lawinensituation für die gesamte Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino auf einer gemeinsamen Plattform darstellen, einen Förderpreis für junge ForscherInnen und innovative UnternehmerInnen aus der Euregio vergeben oder eine Akademie zum umfassenden Euregio-Wissenstransfer etablieren – solche Ideen haben vielfach ihre Wurzeln in Alpbach. 2012 wurde der Tiroltag erstmals von der Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino ausgetragen und seither wurden zahlreiche Projekte und Maßnahmen initiiert – während der diesjährige Tiroltag angesichts der derzeitigen, noch nie da gewesenen Coronavirus-Situation vor allem digital stattfindet, steht der heurige Auftakt zum Europäischen Forum Alpbach 2020 ganz im Zeichen der Zukunft der Euregio. Euregiopräsident LH Günther Platter, LH Arno Kompatscher (Südtirol) und LH Maurizio Fugatti (Trentino) präsentierten heute, Sonntag, die „Fundamentals – die Grundlagen der Zusammenarbeit in der Europaregion“. Unter diesem Motto stand der Tiroltag 2020: Es wird eine neue Basis für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit und eine Reform des Europäischen Verbundes zur territorialen Zusammenarbeit (EVTZ) geben. Dementsprechend haben die drei Landeshauptleute bereits im Vorfeld den Auftrag erteilt, im Rahmen des EuregioLabs unter der Leitung von Professor Walter Obwexer die bisherige Euregio-Zusammenarbeit zu analysieren und Empfehlungen für die Weiterentwicklung vorzulegen. Auf Basis von drei konkreten Empfehlungen werden nun das auf den Gründungsverträgen 2011 basierende Regelwerk der Europaregion modernisiert. Konkret sind die Stärkung der demokratischen Elemente durch die Ausweitung der Versammlung, die Einbeziehung von GemeindevertreterInnen und der Bevölkerung, die Errichtung von Euregio-Büros in Innsbruck und Trient sowie ein Euregio-Kulturfestival geplant.

„Die vergangenen Wochen und Monate haben gezeigt, wie wichtig die grenzüberschreitende Zusammenarbeit ist – vor allem in Krisenzeiten. Wir wollen und müssen dafür Sorge tragen, dass die Europaregion fit für die Zukunft bleibt. Nur so können auch nachfolgende Generationen von diesem Projekt im Rahmen des Friedensprojektes Europäische Union profitieren. Während die Bekanntheit der Euregio innerhalb der Bevölkerung steigt, fordert die überwältigende Mehrheit – nämlich 90 Prozent –, dass die Zusammenarbeit zwischen Tirol, Südtirol und dem Trentino weiter ausgebaut wird. Dem tragen wir mit den heutigen Beschlüssen und Maßnahmen Rechnung – wir nehmen die Zukunft der Euregio in neue Hände, gemeinsam mit der Bevölkerung“, betont LH Platter.

„Das Thema der ‚Fundamentals‘ ist absolut treffend gewählt. Nicht nur die aktuelle Covid-Krise, sondern bereits die Flüchtlingskrise vorher hat die Fundamente unserer solidarischen Gesellschaft erschüttert und unsere Grundwerte auf die Probe gestellt. Jetzt gilt es mehr denn je populistischen Versuchungen zu widerstehen, um keine Politik voranzutreiben, die vor Wutbürgern in die Knie geht“, betont auch LH Kompatscher. „Ich schließe mich der Einladung von Landeshauptmann Platter an, einen Blick auf die Zukunft unseres grenzüberschreitenden Bündnisses zu werfen“, sagt LH Fugatti – „umso mehr in einer so schwierigen Zeit wie der, die wir gerade durchleben, aufgrund des gesundheitlichen Notstands und seiner Folgen für das wirtschaftliche, soziale und zivile Leben. Wir müssen wieder von unserer Geschichte und unseren Werten ausgehen und gleichzeitig den Blick auf die Zukunft richten, beseelt vom Mut, innovativ zu sein und dabei unsere gemeinsame euroregionale Erfahrung zu nutzen. Ein wichtiges Ereignis ist sicherlich das zehnte Gründungsjubiläum des EVTZ, das wir nächstes Jahr feiern werden. Wir werden uns auch weiterhin dafür einsetzen, den Wert der Euregio in Europa im Interesse unserer Gemeinden und insbesondere unserer jungen Menschen hervorzuheben.“

Mitsprache in der Euregio: Rat der Gemeinden und Einbindung der Bevölkerung 

Entsprechend der Empfehlungen des EuregioLabs setzt der Euregio-Vorstand gemeinsam mit den Landtagen eine Kommission ein, die sich unter der Leitung des Europarechtsexperten Walter Obwexer umgehend an die Ausarbeitung der neuen Statuten macht. Das Herzstück der Statutenreform wird die Stärkung der demokratischen Strukturen und die Einbeziehung der Bevölkerung sein: Derzeit findet alle zwei Jahre der Dreierlandtag der jeweils gewählten MandatarInnen statt. Künftig sollen auch Gemeinden verstärkt in Form eines „Rat der Gemeinden“ miteinbezogen werden. Dieser wird den Vorstand beraten. „Die Demokratie ist von unbeschreiblichem Wert. Wir müssen sie schätzen und fördern. Die Euregio setzt in dieser Form bereits europaweit Maßstäbe – mit der Erweiterung der Versammlung erhält die Europaregion ein runderneuertes Statut, das wir in einem Jahr neu in Händen halten“, kündigt LH Platter an. Die Eckpunkte des „Rat der Gemeinden“ soll bereits im Frühsommer 2021 für Gespräche mit den Gemeindeverbänden und Interreg-Räten stehen. Auch ein BürgerInnen-Rat soll implementiert werden – 2021 werde es dazu ein Pilotprojekt geben. Die konkrete Ausgestaltung wird in den kommenden Monaten ausgearbeitet.

Die Euregio vor Ort in allen drei Landesteilen

Nachdem am 1. Juli 2020 die Europaregion ihren neuen Sitz in Bozen („Waaghaus“) bezogen hat, wird es künftig auch in Innsbruck und in Trient Euregio-Büros geben: „Das Wachstum an Themen und Aufgaben der Euregio seit 2011 ist beachtlich. Derzeit ist die Europaregion in den jeweiligen Landesverwaltungen und dem Euregio-Büro in Bozen vertreten. Für eine künftig noch bessere Koordination braucht es dezentrale Anlaufstellen in allen drei Landesteilen. Daher richten wir auch in Tirol und dem Trentino Informations- und Koordinationsbüros ein, in welchen ausschließlich Euregio-Projekte mit zweisprachigem Personal unter der Führung des Generalsekretärs entwickelt und betreut werden“, sagt LH Platter. Dadurch soll der Informationsfluss verbessert und Projekte zielgerichtet und schneller umgesetzt werden.

Grenzüberschreitende Kultur und touristische Zusammenarbeit fördern

„Kultur lebt vom Austausch, Brauchtum und Tradition sowie Gemeinsamkeiten und Gegensätzen. Der Vorschlag der Expertinnen und Experten zu einem abwechselnd in allen drei Landesteilen stattfindenden ‚Euregio-Kulturfestival‘ wird jedenfalls in die Neukonzeption der Euregio mitaufgenommen“, kündigen die drei Landeshauptleute an. Angesichts der derzeitigen Situation steht eine Durchführung der Veranstaltung bereits im Jahr 2021 noch nicht fest – die Zeit soll jedoch vor allem für die Konzeption genutzt werden. Aus diesem Grund wird es im kommenden Jahr in Tirol einen Kulturstammtisch geben, bei welchem über die Ausrichtung eines solchen Festivals diskutiert wird.

Damit die Europaregion auch im touristischen Bereich gemeinsam noch besser Fuß fassen kann, wurden heute auch die Gründungsverträge eines neues EVTZ von den Landestourismusorganisationen der drei Länder unterzeichnet: „Euregio Connect“ ist ein Europäischer Verbund für Territoriale Zusammenarbeit (EVTZ), der die Zusammenarbeit seiner drei Mitglieder Tirol Werbung, IDM Südtirol und Trentino Marketing erleichtert, da die Umsetzung grenzübergreifender Projekte vor allem im Tourismus vereinfacht wird. Der Sitz dieses EVTZ ist in Innsbruck.

Verleihung Euregio-JungforscherInnenpreis und Euregio-Innovationspreis

Auch heuer wurden im Rahmen des Tiroltages zwei wesentliche Förderpreise der Euregio verliehen: Der diesjährige Euregio-JungforscherInnenpreis wurde von Juryvorsitzender Ulrike Tappeiner (Freie Universität Bozen) an Verena Wiedemair, Management Center Innsbruck, verliehen: Ihr Dissertationsprojekt konzentriert sich auf die Diversifizierung der Ernährung in den Regionen wie dem Alpenraum, die durch eine starke Präsenz von Monokulturen geprägt sind. Das Experiment reicht von einer nachhaltigen chemischen Analyse bis zur Befragung von KonsumentInnen. Der diesjährige Euregio-Innovationspreis geht an Michael Traugott, Sinsoma GmbH in Völs bei Innsbruck und wurde von Juryvorsitzendem Josef Margreiter (Geschäftsführer Lebensraum Tirol Holding) verliehen. Gemeinsam mit der Universität Innsbruck hat Traugott ein PCR-Testverfahren entwickelt, das dabei helfen soll, Coronavirus-Testungen ganzheitlich abzuwickeln und die Kapazität für Testungen zu steigern. „Wir gratulieren den Preisträgerinnen und Preisträgern und danken ihnen für das Engagement. Es ist wichtig, eine Plattform für neue Ideen zu bieten. Die Euregio lebt zudem auch vom Input und dem Enthusiasmus junger Menschen – sie sind die Euregio von morgen“, betonen die drei Landeshauptleute unisono.