30 Jahre Kinderschutz Tirol

Kinderschutzzentren unterstützen von sexueller, physischer oder psychischer Gewalt betroffene Kinder und Jugendliche

  • Insgesamt fünf Kinderschutzzentren in Innsbruck, Lienz, Imst, Wörgl und Reutte
  • 2021 über 7.200 Beratungen und 152 Prozessbegleitungen durchgeführt
  • Kinderschutzzentren als spezialisierte Facheinrichtungen bei sexualisierter Gewalt

Während es vor 30 Jahren noch kaum Einrichtungen in Tirol gab, die sich dem Thema Kinderschutz widmeten, sind es heute bereits fünf Zentren in Tirol: In Innsbruck, Lienz, Imst, Wörgl und Reutte wurden Kinderschutzzentren implementiert, die von sexueller, physischer oder psychischer Gewalt betroffene Kinder und Jugendliche als auch deren Erziehungsberechtigte unterstützen. Heute, Mittwoch, wurde im Rahmen einer Jubiläumsfeier im Landhaus in Innsbruck Bilanz gezogen und bei einer Podiumsdiskussion die Zukunftsperspektiven des Kinderschutzes erörtert. Eröffnet wurde die Jubiläumsfeier von Soziallandesrätin Gabriele Fischer, der Vorsitzenden des Bundesverbands Österreichischer Kinderschutzzentren Petra Birchbauer und Geschäftsführerin Petra Sansone von der Tiroler Kinder und Jugend GmbH. Heute zählen die Kinderschutzzentren in Tirol insgesamt 20 MitarbeiterInnen, die allein im Vorjahr 2021 7.200 Beratungen durchführten.

„Als die schwächsten Glieder in unserer Gesellschaft benötigen Kinder und Jugendliche besonderen Schutz. Jedes Kind hat ein Recht darauf, in Geborgenheit und Sicherheit – und fernab jeder Form von Gewalt – aufzuwachsen. Wenn Eltern und Erziehungsberechtigte dies nicht gewährleisten können und es dazu kommt, dass Kinder zuhause nicht mehr sicher sind, braucht es entsprechende Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen. Miteinander sind wir füreinander da. Denn nur gemeinsam können wir Gewalt verhindern und vor Gewalt schützen. Die Kinderschutzzentren begleiten Kinder und Jugendliche, die Gewalt erleben mussten, und sind nicht mehr wegzudenkende Stützpfeiler in der Angebotslandschaft im Sinne des Wohles von Kindern und Jugendlichen“, betont LRin Fischer. „Kinderschutzzentren setzen in ihrer Arbeit auf die Ressourcen von Familien, Jugendlichen und Kindern und versuchen gemeinsam mit ihnen individuelle Lösungen fern von Gewalt zu entwickeln. Unsere Aufgabe ist es, auf respektvolle Art und Weise die Themen anzusprechen, die das Wohl von Kindern und Jugendlichen gefährden und Eltern darin zu stärken, andere, gewaltfreie Umgangsformen mit ihren Kindern zu entwickeln. Damit tragen Kinderschutzzentren wesentlich dazu bei, Kreisläufe von Gewalt zu durchbrechen und die transgenerationale Weitergabe von Gewalt zu verhindern“, sagt Birchbauer.

Kinderschutzzentren: Rasche und gezielte Intervention und Hilfsmaßnahmen

Das erste Kinderschutzzentrum eröffnete die Tiroler Kinder und Jugend GmbH im Jahr 1992 in Innsbruck. Darauf folgten die Kinderschutzzentren in Lienz (1993), Imst und Wörgl (beide 2002) und zuletzt, im Jahr 2017, das Kinderschutzzentrum in Reutte. „Das Team vor Ort bietet ein maßgeschneidertes und umfassendes Unterstützungsangebot für die Klientinnen und Klienten. Dabei sind wir darum bemüht, möglichst rasch gezielte Interventionen und Hilfsmaßnahmen zu erarbeiten, und den Kindern und Jugendlichen so den Ausstieg aus der Gewaltsituation zu ermöglichen und sie vor weiteren Gewalterfahrungen zu schützen. Das funktioniert durch die professionelle Kooperation mit anderen Hilfseinrichtungen“, erklärt Sansone. So arbeitet das Team des Kinderschutzzentrums eng mit den SozialarbeiterInnen der Referate Kinder und Jugendhilfe an den Bezirkshauptmannschaften zusammen.

Von Beratungen bis zu Prozessbegleitungen

Die Angebote der Kinderschutzzentren bestehen aus Beratungsleistungen, Psychotherapien von Kindern und Jugendlichen im Kontext der Kinderschutzarbeit, Prozessbegleitungen, Vernetzungen von Hilfsangeboten, Präventionsprojekten sowie Schulungen und Seminaren zum Thema Gewalt gegen Kinder und Jugendliche. Derzeit sind von den fast 2.300 KlientInnen der Kinderschutzzentren etwas mehr als die Hälfte Mädchen und Frauen (55 Prozent), die meisten Kinder und Jugendlichen sind zwischen sieben und 14 Jahre alt. Seit dem Jahr 2002 bieten die Kinderschutzzentren auch eine psychosoziale und juristische Prozessbegleitung an. Im Jahr 2021 betreuten die MitarbeiterInnen insgesamt 152 Fälle. „Wir unterstützen Kinder und Jugendliche sowie deren Bezugspersonen bei polizeilichen Anzeigen und während Strafverfahren. Das hat den Vorteil, dass für die Familien keine Anwalts- und Gerichtskosten entstehen und die Klientinnen und Klienten möglichst schonend durch den meist sehr belastendenden Prozess eines Gerichtsverfahrens kommen“, erklärt Astrid Lanza, Fachbereichsleiterin vom Kinderschutz Tirol.

Sexualisierte Gewalt an Kindern und Jugendlichen als Haupt-Beratungsthema

Durch die jahrzehntelange Erfahrung sind die Kinderschutzzentren insbesondere im Bereich der sexualisierten Gewalt an Kindern und Jugendlichen spezialisierte Facheinrichtungen. Rund die Hälfte aller allein im Jahr 2021 durchgeführten Beratungen hatte den Verdacht auf bzw. die sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche zum Inhalt. „Wir haben über die Jahre sehr viel an facheinschlägigem Knowhow aufgebaut. Als aktiver Teil im Bundesverband der Österreichischen Kinderschutzzentren bringen wir uns mit unserer Expertise auch österreichweit ein, arbeiten laufend an den Qualitätsstandards und weiterer Professionalisierung mit, sagt Sansone, die selbst Vorstandsmitglied ist. Wenn der Kontakt mit den Kinderschutzzentren privat hergestellt wird, erfolgt die Kontaktaufnahme – in rund zwei Drittel der Fälle – über die Erziehungsberechtigten oder – in einem Drittel der Fälle – über die Kinder und Jugendlichen selbst. Genauso häufig kommt es vor, dass die Kinderschutzzentren von professioneller Seite kontaktiert werden. „Wir werden dann etwa von der Kinder- und Jugendhilfe oder einer anderen Einrichtung informiert. Dies können stationäre Einrichtungen, sonstiges Betreuungspersonal, aber etwa auch die Schule oder der Kindergarten sein“, führt Lanza aus. Nach der Kontaktaufnahme wird in einem vertraulichen Gespräch geklärt, worin der Verdacht bzw. möglicher Übergriff bestehen und wo der Unterstützungsbedarf für die Betroffenen liegt. Besonderes Augenmerk wird auf die Herstellung des aktuellen Schutzes gelegt, da erst bei ausreichend äußerer und innerer Sicherheit eine Be- oder Verarbeitung dieser traumatischen Übergriffe gelingen kann.

Über die Tiroler Kinder und Jugend GmbH

Neben dem Kinderschutz setzt die Tiroler Kinder und Jugend GmbH mit ihren insgesamt 140 MitarbeiterInnen auf die beiden Fachbereiche „Soziale Arbeit und Schule“ sowie „fleX – Beratung Begleitung Wohnen“ und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Unterstützung von Kindern und Jugendlichen, die in ihrem häuslichen oder schulischen Umfeld mit Belastungen und Schwierigkeiten konfrontiert sind.

Alle Angebote sind für die Betroffenen kostenlos und auf Wunsch anonym. Die Tiroler Kinder und Jugend GmbH ist eine Gesellschaft des Landes Tirol und finanziert sich aus Leistungsentgelten des Landes Tirol, Zuschüssen von Land, Bund und Gemeinden sowie Spenden.

Mehr Infos dazu unter www.kinder-jugend.tirol